Eine große Wirksamkeit des ZDF liegt "in den konkreten Programminhalten und damit der Umsetzung von sozialen Nachhaltigkeitszielen", so die Einschätzung von Fernsehrätin Petra Wassmann. Nach Ansicht der Vizepräsidentin des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) sollen nicht nur in Reportagen und Dokumentationen, sondern auch im fiktionalen Bereich "gelebte" Lösungen für drängende ökologische Herausforderungen gezeigt werden.
#Fernsehrat: Das ZDF berichtet seit 2010 über sein Nachhaltigkeitsengagement und legt nun seine aktuelle Entsprechenserklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) vor. Wie bewerten Sie das Engagement des ZDF und wo sehen Sie dabei die Herausforderungen und Chancen für das ZDF als öffentlich-rechtliches Unternehmen?
Petra Wassmann: Im jetzt vorgelegten aufschlussreichen Bericht heißt es, dass sich das ZDF erneut dazu bekennt, ökologischen Zielen eine Priorität einzuräumen und Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensstrategie einzustufen. Es ist deshalb sehr positiv zu bewerten, dass sich das ZDF als öffentlich-rechtliche Institution in besonderer Verantwortung für dieses zentrale Gegenwarts- und Zukunftsthema sieht. Spannend ist der Blick auf die vielen Dimensionen des möglichen bzw. erforderlichen Handelns und die Messbarkeit von Ergebnissen, beides kann in meiner Antwort nur angerissen werden.
Erläutert werden beispielsweise im Hinblick auf den Immobilienbestand der Bezug von Ökostrom, die Steigerung der Energieeffizienz im Wärmebereich und die Photovoltaikanlage am Sendezentrum 1, aber auch die Umsetzung von ökologischen Mindeststandards zur Herstellung von derzeit 50 Prozent der fiktionalen Auftragsproduktionen. Dem Bericht sind insgesamt beeindruckende erreichte Schritte zu entnehmen, wozu auch das vorbildliche Neubauprojekt gehört.
Wo liegen Entwicklungsnotwendigkeiten? Es ist anzunehmen, dass deutlich mehr Dachflächen im Altbestand für die Eigenenergieversorgung geeignet sind. Der NABU unterstützt Unternehmen mit seinem Angebot der Umfeldberatung – sicher lassen sich mit Flächenentsiegelungen, Fassadenbegrünungen und weiteren Maßnahmen zur ökologischen Grünflächenpflege zusätzliche positive Auswirkungen auf die CO2-Bilanz und die Biodiversität am Standort erzielen. Die Erweiterung des E-Fahrzeuganteils in der Fahrzeugflotte sowie insbesondere nicht nur das Halten, sondern die zügige Steigerung der Programmproduktionen nach ökologischen Mindeststandards sollte umgesetzt werden. Es liegt natürlich auf der Hand, dass es dabei insbesondere um Finanzierungsherausforderungen geht. Das ZDF hat damit jedoch die Chance, seiner unternehmerischen und gesellschaftlichen Vorbildfunktion noch besser gerecht zu werden.
Neben den aufgeführten direkten Umweltauswirkungen geht es um eine weitere Dimension der Wirksamkeit des ZDF. Diese Wirksamkeit liegt in den konkreten Programminhalten und damit der Umsetzung von sozialen Nachhaltigkeitszielen. Als Multiplikator im Bereich von Informations- und Wissensverbreitung soll und will das ZDF nach eigenen Angaben im Rahmen der Strategie "Ein ZDF für alle" wirken. Der Sensibilisierung für den Schutz unserer Lebensbedingungen (von lokal bis weltweit) sollte meines Erachtens hierbei eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen, nicht nur in den schon vorhandenen Reportagen und Dokumentationen, sondern vermehrt auch in fiktionalen Formaten. Auch das verstärkte Aufzeigen von gelebten (!) Lösungen für drängende ökologische Herausforderungen könnte zu einer positiven Sicht bei den Zuschauer*innen führen, die nicht zuletzt demokratiestärkend wirkt.
#Fernsehrat: Das ZDF folgt der Definition von Nachhaltigkeit im Sinne der Corporate Social Responsibility, also dem Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Wie gut wird das ZDF diesem Anspruch, der sich in den 20 Kriterien des DNK-Standards spiegelt, gerecht? Sind diese Aspekte ausreichend in die Strategieziele des Unternehmens integriert?
Wassmann: Der Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem als Grundlage nachhaltigen Handelns ist allgemein international anerkannt. Der vorgelegte Bericht zeigt nachvollziehbar und überzeugend auf, dass die Aspekte tatsächlich ernsthaft in die Strategieziele des ZDF einbezogen wurden bzw. einfließen. Die darin erklärte Konzentration auf den Bereich der Reduktion klimarelevanter Emissionen sollte meiner Einschätzung nach um den Bereich der Förderung der Biodiversität deutlich stärker ergänzt werden, zumal Maßnahmen zum natürlichen Klimaschutz hier eine Brücke sind.
Ziele werden letztlich danach beurteilt, ob sie umgesetzt werden (können). In Abwägungsprozessen müssen Prioritäten gesetzt werden. Gerade hierbei sehe ich auch eine Mitwirkung durch den ZDF-Fernsehrat bzw. -Verwaltungsrat. Das war übrigens ein Teil der Motivation, meiner Entsendung durch den NABU zuzustimmen.
#Fernsehrat: Das ZDF setzt bei Eigen- und Auftragsproduktionen hohe ökologische Standards an und engagiert sich im branchenweiten Arbeitskreis „Green Shooting“. Mehrkosten für eine ressourcenschonende und klimafreundliche Herstellung der Inhalte werden von der KEF in der kommenden Beitragsperiode nicht anerkannt. Kann das ZDF seinen Zielen weiterhin gerecht werden?
Wassmann: Die Umsetzung wird sicher herausfordernd. Eine Alternative dazu darf es aber nicht geben, denn das Ziel der Klimaneutralität wird ansonsten verfehlt. Außerdem sind Förderbedingungen für Produktionen teilweise an die Erfüllung entsprechender ökologischer Standards gebunden. Das ist auch ein richtiges Vorgehen, denn es ist bedeutsam, dass dort, wo öffentliche Mittel eingesetzt werden, auch vorbildhaft agiert wird. Es wird häufig vergessen, dass ressourcenbelastende Produktionen ja nicht wirklich geringere Kosten verursachen. Diese werden "nur" letztlich von der Allgemeinheit bezahlt. Die KEF sollte die angesprochene Entscheidung also mit Blick auf die Zukunft überdenken.
#Fernsehrat: Lineares Fernsehen ist im Gegensatz zum Streaming energiesparender. Dennoch bewirbt das ZDF seine Mediathek und animiert Menschen zum Streaming. Wie ist dieser Konflikt aufzulösen?
#Wassmann: Dieser Konflikt ist wohl nicht aufzulösen. Letztlich geht es um eine Güterabwägung, die wir als Gesellschaft oder Einzelne(r) treffen müssen. Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Kino, Theater, Vorträge, Konzerte oder eben Fernsehen/Internet sind zwangsläufig mit einem Ressourcenverbrauch verbunden. Vor dem Hintergrund, möglichst viele Menschen mit seriösen Inhalten zu erreichen, ist für das ZDF jedoch eine Anpassung an veränderte Sehgewohnheiten bzw. das Mediennutzungsverhalten in der Gesellschaft durch verschiedene Ausspielwege notwendig. Es gilt den gesellschaftlichen Mehrwert des unabhängigen Journalismus zu wahren. Trotzdem bleibt natürlich die Ressourcenfrage sehr relevant. Information, Bildung und Unterhaltung verursachen einen Teil unseres ökologischen Fußabdrucks. Diesen gilt es zu minimieren. Zwar haben Endverbraucher*innen wenig Einfluss auf den Energieverbrauch z. B. von Serverfarmen, aber einen Einfluss auf den eigenen Energieeinsatz haben wir als Zuschauer*innen schon: durch den Kauf energiesparender Endgeräte, den Bezug von Ökostrom oder den Betrieb eines Balkonkraftwerks beispielsweise. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass der vorgelegte Bericht die Förderung nachhaltigeren Streamens in den Blick nimmt. Das ZDF kann und sollte über diese „Nebenwirkung“ unseres Medienkonsums im Sinne der Umweltbildung informieren.
Zur Person: Jahrgang 1955, hat Biologie, Germanistik und Umweltorientierte Unternehmensführung studiert, ist Studiendirektorin i.R. und jetzt als Dozentin/Autorin freiberuflich tätig. Sie ist Vizepräsidentin des NABU (Naturschutzbund Deutschland) und im Vorstand der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe. Im Fernsehrat ist sie seit 05.07.2024 als Vertreterin des NABU und Mitglied im Programmausschuss Programmdirektion.