Fernsehrat Heiko Geue sieht in der umfangreichen Live-Berichterstattung aus den Parlamenten bei phoenix ein für das „Demokratieverständnis nicht zu unterschätzendes Element.“ Bei der digitalen Verbreitung ist der Finan¬¬zminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern für eine gemeinsame Plattformstrategie der Öffentlich-Rechtlichen.
#Fernsehrat: phoenix befindet sich nach wie vor in einem dynamischen Spannungsfeld konkurrierender Sender aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Bereich. Was ist Ihrer Meinung nach die Kernkompetenz von phoenix, und über welches Alleinstellungsmerkmal grenzt sich der Sender vom Wettbewerb ab?
Heiko Geue: Was phoenix im Vergleich vor allem zu den privaten Live-TV-Nachrichtenformaten unterscheidet, ist die umfangreiche Live-Berichterstattung aus den Parlamenten, insbesondere dem Bundestag, aber auch der Länderkammer Bundesrat und dem EU-Parlament. Hier wird den Zuschauerinnen und Zuschauern ein ungefilterter Blick in die Arbeit unserer Abgeordneten und Regierungsmitglieder gewährt. Nichts wird auf das „nur“ Wesentliche verdichtet, zusammengeschnitten oder auf „Big-Point-Themen“ des politischen Betriebs reduziert. Live ist eben live. Parlamentarismus wird so – fast – hautnah erlebbar, ein für den freien Meinungsbildungsprozess und damit ein für das immer wieder aufs Neue in unser aller Gedächtnis zurückzurufende Demokratieverständnis nicht zu unterschätzendes Element.
#Fernsehrat: phoenix hat das Engagement in der EU-Berichterstattung ausgebaut und wird das auch in Zukunft tun. Wie wichtig sind Übertragungen aus den EU-Institutionen, etwa aus dem EU-Parlament?
Geue: Aus meiner Sicht sehr wichtig. Themen mit Bezug zur Europäischen Union und der Arbeit ihrer Institutionen werden, so ist meine Wahrnehmung, innerhalb der Bevölkerung noch immer mit etwas Befremden und in vielen Teilen sogar Skepsis aufgenommen, was auch an der Komplexität der Union und ihrer Prozesse liegt. Wenn wir – wie ich es mir wünsche – ein Europa haben wollen, das tatsächlich auch in den Köpfen der Menschen zusammenwächst, ist Transparenz und Verständnis für die Arbeit zum Beispiel des EU-Parlaments essentiell. phoenix leistet hierzu mit seiner Berichterstattung einen wichtigen Beitrag.
#Fernsehrat: Für die Mediatheken von ARD und ZDF und für Angebote in Sozialen Netzwerken erprobt phoenix eigene Formate. Wie finden Sie dieses Engagement?
Geue: Ohne Zweifel sind Mediatheken und Soziale Netzwerke zu einem festen Bestandteil unseres sozialen Umfelds und damit auch der Fernsehlandschaft geworden. Gerade die Jüngeren wollen Inhalte selbstbestimmt und ohne zeitliche „Vorgabe“ konsumieren und sozusagen ihr eigener Programmchef oder ihre eigene Programmchefin sein. Der Weg in die Mediatheken, aber auch die Sozialen Netzwerke bzw. deren Auf- und wie hier Ausbau, sind daher wichtiger Bestandteil der Distributionsstrategie und Nutzerbindung eines jeden Medienunternehmens. Das gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Besonders in den Sozialen Netzwerken, die ja oft – ob nun zu Recht oder Unrecht – als Hort von Echokammern und Filterblasen gelten, ist ein Einbringen von gut recherchierten Inhalten nach hohen journalistischen Standards, wie sie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, aber auch unsere privaten Medien nun mal bieten, ein deutlicher Mehrwert. Gleichwohl müssen wir aufpassen, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht in eine Abhängigkeit der Plattformen und ihrer Algorithmen, die dem freien Journalismus schaden könnten, begeben. Eine gemeinsame Plattformstrategie der Öffentlich-Rechtlichen, wie sie ja aktuell auch in den Reformüberlegungen der Länder zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wichtige Rolle spielen, kann dieses Spannungsfeld sicher auflösen helfen.
-
#Fernsehrat: phoenix bietet ergänzend zu seinem TV-Programm auch mehrere regelmäßige Audio-Podcasts an. Wie bewerten Sie das Engagement von phoenix im Audio-Bereich?
Geue: Denke ich an „Audio“, fällt mir spontan und wenig überraschend das Deutschlandradio ein, dessen Kernkompetenz ja dieser Bereich ist. phoenix macht zwar Fernsehen, das ist seine Kernkompetenz und Auftrag, aber auch hier gilt, man muss mit der Zeit gehen: Mittlerweile sind die von Ihnen angesprochenen Podcasts ein auch von Rezipienten erwartetes Angebotselement und sehr erfolgreich, wenn ich nur an die Angebote denke, die es zu Zeiten der Corona-Pandemie beispielsweise vom NDR gab. Inhalte, vor allem gut recherchierte Informationen auch der phoenix-Redaktionen, dort und dann zu vermitteln, wo und wann sie Nutzerinnen und Nutzer heute wollen, ist daher kein Selbstzweck, sondern wichtiger Bestandteil eines zukunftsweisenden Medienkonzepts, das mit den Nutzern im technischen Fortschritt geht.
Zur Person: Dr. Heiko Geue ist Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er ist seit 2020 als Vertreter für das Land Mecklenburg-Vorpommern im ZDF-Fernsehrat tätig und ist Mitglied des Programmausschusses Programmdirektion.