„Der Strategieprozess ist meinem Eindruck nach in vollem Gange“, erklärt Fernsehrätin Laura-Kristine Krause. Die Gründungsgeschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation More in Common Deutschland blickt auch auf erste wichtige Maßnahmen.
#Fernsehrat: Der Strategieprozess „Ein ZDF für alle“ wurde vor anderthalb Jahren gestartet. In welcher Phase der Umsetzung befindet sich der Prozess derzeit, und sind die bislang angestoßenen Instrumente und Maßnahmen geeignet, um den anstehenden Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten?
Laura-Kristine Krause: Der Strategieprozess ist meinem Eindruck nach in vollem Gange. In mittlerweile vier mehrtägigen Strategieklausuren hat sich das ZDF einzelne Themenfelder vorgenommen und Ziele zu den anfangs vereinbarten sechs Themenfeldern des Strategieprozesses diskutiert und vereinbart. Noch wichtiger aber ist, dass der Strategieprozess nicht nur im Gange ist, sondern bereits wichtige Entscheidungen getroffen wurden und auch zum Teil schon in der Umsetzung sind. Etwa die Umschichtung von Mitteln zugunsten von Zuschauergruppen, für die bisher zu wenig investiert wurde. Ob das „Gesamtkunstwerk“ gelingt, wird sich zum Beispiel Ende 2024 mit den ersten Evaluierungen zeigen.
#Fernsehrat: Inwieweit wird nach Ihrem Eindruck die Mitarbeiterschaft in den Prozess eingebunden, oder ist der Strategieprozess eher ein Thema der ZDF-Geschäftsleitung?
Krause: Meinem Eindruck nach ist die Mitarbeitendenschaft alleine aufgrund der Vielzahl an Maßnahmen und Handlungssträngen, die der Strategieprozess auslöst, von ihm betroffen und eingebunden. Denn die Handlungsfelder betreffen ja zum Teil ganz Grundsätzliches, wie etwa das ZDF als Arbeitgeber und damit auch die Unternehmenskultur. Zusätzlich fand dieses Jahr bereits die vierte mehrtägige Strategieklausur des ZDF im Rahmen des Strategieprozesses statt.
Damit die vielen Teile eines Strategieprozesses ineinandergreifen können und aus Akzeptanz- und Identifikationsgründen, ist eine gute Einbindung der breiten Mitarbeitendenschaft unbedingt nötig und ebenso eine klare Zielrichtung eines solchen Prozesses, die mit „Ein ZDF für alle“ hier früh gesetzt wurde.
#Fernsehrat: Wie wird der Fernsehrat am Strategieprozess beteiligt?
Krause: Ich bin seit einem guten Jahr Mitglied im ZDF-Fernsehrat und die Hausleitung des ZDF hat seither in praktisch jeder Sitzung des Fernsehrats aus dem Strategieprozess berichtet. Auch in den Ausschüssen ist der Strategieprozess immer wieder Thema, zumal er in viele andere Entwicklungsbereiche und -projekte hineinragt. Im Ausschuss Telemedien, dem ich angehöre, ist das zum Beispiel das internationale Forschungsprojekt „Public Spaces Incubator“, dass das ZDF aktuell mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern durchführt. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie die Plattformen der öffentlich-rechtlichen Sender Orte für Diskurse werden können, eine Frage, die auch eng mit dem Themenfeld ZDF & Gesellschaft des Strategieprozesses verschränkt ist.
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#Fernsehrat: Unter anderem soll im Zuge des Strategieprozesses die Akzeptanz in bisher unterproportional erreichten Zielgruppen (Content Communities 1-3) gestärkt werden. Sind die eingeleiteten Programminnovationen hierzu aus Ihrer Sicht geeignet? Wie kann die Ansprache vieler verschiedener „Inhaltsgemeinschaften” gelingen?
Krause:Das ZDF hat sich mit den sechs sogenannten „Content Communities“ ein innovatives und enorm hilfreiches Analyse-Werkzeug geschaffen, das auch im Fernsehrat sehr dabei hilft, die Debatte dazu zu führen, wen der Sender aktuell gut bedient und wo noch Ausbaubedarf besteht, um für alle zielgruppengerechte Angebote und damit auch eine Akzeptanz des ZDF zu schaffen. Auf dieser Basis sind ganz konkrete Investitionsentscheidungen getroffen worden, zum Beispiel, dass gut 100 Millionen Euro bis Ende 2024 zugunsten den von Ihnen genannten Content Communities umgeschichtet werden. Dass dabei ein Fokus sowohl auf Fiktion als auch auf Nachrichtenformate für diese Zielgruppen gelegt wird, finde ich absolut richtig, ebenso wie das Ziel, die Attraktivität der ZDFmediathek gerade für diese Zielgruppen zu steigern.
#Fernsehrat: Im Juli ist das Panel „ZDFmitreden“ gestartet: Ein Online-Panel, dessen Ziel es ist, in seiner finalen Ausbaustufe bis zu 50.000 Teilnehmende zu erreichen. Aus dieser „Community“ soll ein direktes Feedback mit Auswirkungen auf die ZDF-Angebote gewonnen werden. Wie relevant ist der Dialog mit den Nutzenden im Prozess?
Krause: Mit „ZDFmitreden“ geht das ZDF einen spannenden Schritt zur Erweiterung der eigenen Akzeptanz- und Nutzungsforschung. Ich persönlich erhoffe mir von dem Panel auch Erkenntnisse gerade über die Menschen, die bisher keine ZDF-Angebote nutzen, da sie deutlich schwerer zu befragen sind als ZDF-Nutzende. Ich bin deshalb sehr neugierig auf die ersten Erkenntnisse aus ZDFmitreden. Gleichzeitig erlaube ich mir den Hinweis, dass ein Panel strenggenommen kein Dialog ist, sondern ein Werkzeug der Meinungsforschung. Ich hoffe deshalb, dass der Aspekt des Dialogs mit den Zuschauenden auch an anderen Stellen im Sender Eingang findet und nicht auf ZDFmitreden beschränkt bleibt. Ansätze dafür sieht man im Community Management z.B. von funk, die Nutzerkommentare der Sozialen Netzwerke für die Formatentwicklung nutzen. Ähnliches wäre auch im Rahmen der ZDFmediathek möglich.
Zur Person: Laura-Kristine Krause ist Gründungsgeschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation More in Common Deutschland, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzt. Von 2016-2020 war sie Co-Vorsitzende von D64 Zentrum für digitalen Fortschritt. Beide Perspektiven bringt sie seit Juli 2022 als Vertreterin aus dem Bereich „Internet“ in den ZDF-Fernsehrat ein.. Aktuell ist sie dort Mitglied im Ausschuss Telemedien.