Der große Erfolg von Krimi-Formaten im ZDF liegt aus Sicht von J. Luca Renner „an starken Figuren, dem lokalen Anstrich der Spielorte, aber vor allem an dem tiefen Bedürfnis der Menschen zu wissen, dass das Gute gegen das Böse am Ende siegt. Zumindest in den meisten Fällen.“ Erfolg könne sich nur entwickeln, wenn es gerade bei der Krimi-Produktion kein Stehenbleiben und einen sich ständig anpassenden Prozess gibt.
#Fernsehrat: Im vergangenen Jahr hatten Krimi-Erstausstrahlungen und -Wiederholungen einen Anteil von 17 % am Gesamtprogramm des ZDF. Was macht das Genre aus Ihrer Sicht so attraktiv?
J. Luca Renner: Die Zuschauer*innen des ZDF lieben den Krimi. Das zeigen deutlich die Quoten und Reichweiten bei den Stammpublika. Meines Erachtens liegt dies an starken Figuren, dem lokalen Anstrich der Spielorte, aber vor allem an dem tiefen Bedürfnis der Menschen zu wissen, dass das Gute gegen das Böse am Ende siegt. Zumindest in den meisten Fällen. Im Gegensatz zu anderen fiktionalen Formaten wird hier aber auch eine Vielfalt der Lebensverhältnisse von Menschen dargestellt. Zu sehen, dass Kriminalität eben in allen Milieus zu Hause ist, hat auch etwas beruhigendes und macht keinen Konflikt zwischen unterschiedlichen Gruppen der Gesellschaft auf, der anderswo allzu oft zwischen „Wir und die Anderen“ unterscheidet.
#Fernsehrat: Non-fiktionale Kriminal-Programme wie „Aktenzeichen XY... ungelöst" haben eine große Tradition und einen aufklärerischen Anspruch. Wie werden die entsprechenden Formate in der ZDF-Familie diesem Anspruch aus Ihrer Sicht gerecht?
Renner: Ich finde es großartig, dass es mit „Aktenzeichen XY…ungelöst“ ein Format im ZDF gibt, dass bei der Aufklärung von Kriminalfällen hilft. Gerade Betroffenen und Angehörigen ist damit sehr geholfen, wenn nach Jahren der Ungewissheit endlich klar wird, wie sich Sachverhalte abgespielt haben und die Täter*innen überführt werden können. Gerade mit Blick auf die Traumabewältigung ist das ein sehr wichtiger Baustein. Die Reichweite eines öffentlich-rechtlichen Senders dafür zu nutzen, ist hierbei doch der einzig verbleibende Weg, gerade weil sich auch die Methoden der Spurensicherstellung ständig weiterentwickeln und so neue Erkenntnisse zur Aufklärung beitragen können. Hinzu kommt, dass auch hierbei ein wichtiger Baustein zur Transparenz von Ermittlungsarbeit geschaffen wird, die doch oft durch fiktionale Formate möglichweise verklärt wird.
#Fernsehrat: TV-Krimis stehen mitunter wegen der Format-immanenten Gewaltdarstellung in der Kritik. Wie sehen Sie ZDF-Krimis in diesem Kontext aufgestellt?
Renner: Das ZDF leistet eine hervorragende Arbeit mit Blick auf den Jugendschutz. Die zuständige Beauftragte stimmt in einem sehr arbeitsintensiven Prozess die Darstellungen von Gewalt, aber auch anderen sensiblen Inhalten mit den Redaktionen ab. Wie sich gesamtgesellschaftlich jedoch das Abstumpfen bei Gewaltdarstellungen entwickelt, muss in einem anderen Kontext und auf einer anderen Plattform diskutiert werden. Was ich mir wünschen würde, wären jedoch mehr Triggerwarnungen bei Sendungen mit sensiblen Inhalten, gerade wenn es um Gewalt, sexuelle Übergriffe oder Suizidfragen geht.
#Fernsehrat: Für die weitere Entwicklung will das ZDF auf Vielfalt vor und hinter der Kamera sowie eine Binnendifferenzierung des Genres und seiner Innovationskraft setzen. Wie bewerten Sie das?
Renner: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Diversity in sämtliche Formate eines modernen Senders hineingehört. Das, was die Zuschauer*innen sehen, sind eben auch manchmal Vorbilder, das ist wichtig zu wissen. Die Vielfalt der Menschen in ihrer Besonderheit (und ich bin der Meinung, dass jeder Mensch besonders ist) gehört vor die Kamera, aber eben auch hinter die Kamera. Nur diverse Teams können auch diverse Produktionen innovativ hervorbringen. Und das heißt an vielen Stellen auch Veränderung. Bewährtes beibehalten, aber eben auch Neues gleichermaßen wagen. Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr Menschen im Programm wiederfinden und auch gerade deshalb beim ZDF hängen bleiben. Das braucht aber einen sich ständig anpassenden Prozess und kein Stehenbleiben.
#Fernsehrat: Welchen ZDF-Krimi finden Sie persönlich besonders empfehlenswert?
Renner: Ich persönlich schaue ehrlich gesagt selten Krimis. Mein Leben ist spannend genug. Wenn ich doch mal die Zeit finde, dann schaue ich gerne die SOKO Potsdam oder SOKO Leipzig über die Mediathek. Was wohl auch an der lokalen Verortung, aber eben dazu an spannenden, diversen Ermittler*innenteams liegt.
Zur Person:
J. Luca Renner ist für den Freistaat Thüringen im Bereich Zivilgesellschaft seit 2016 Mitglied des Fernsehrates. Hauptaugenmerk der Arbeit im Gremium sind die Interessen der LSBTIQ*- Community. 1983 geboren in Meiningen und aufgewachsen in Thüringen, hat es die Aktivist*in für Menschenrechte 2019 nach Brandenburg verschlagen. J. Luca Renner arbeitet hauptberuflich bei ver.di in der Bundesverwaltung.