Im Drei-Stufen-Test geht es „mit gutem Grund um den Schutz des Wettbewerbs vor Markteingriffen mit staatlich veranlassten Mitteln“, erklärt Fernsehrätin Inken Boyens. Die Geschäftsführerin eines norddeutschen Medienunternehmens betont die große Verantwortung des Fernsehrates bei den Drei-Stufen-Test-Verfahren. In der kommenden Sitzung des ZDF-Fernsehrates wird über den Drei-Stufen-Test zu den Telemedienänderungskonzepten von 3sat und phoenix gesprochen.
#Fernsehrat: Beim Drei-Stufen-Test wird überprüft, ob öffentlich-rechtliche Telemedienangebote den staatsvertraglichen Vorgaben genügen. Was genau ist hierbei die Aufgabe des Fernsehrates und nach welchen Kriterien werden die Online-Angebote von 3sat und phoenix im Rahmen dieses Verfahrens bewertet?
Inken Boyens: Wichtig ist mir nochmal festzuhalten, warum es den Drei-Stufen-Test überhaupt gibt. Die EU-Kommission hatte im Rahmen eines Beihilfeverfahrens im Jahr 2007 festgehalten, dass Rundfunkgebühren Beihilfen sind und daher nur für einen konkreten Auftrag festgelegt werden dürfen. Das ist auch sinnvoll, denn es wäre auch medienpolitisch kaum hinnehmbar, wenn bestehende privatwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen aufgrund entsprechender beihilfefinanzierter Angebote im Markt behindert oder gar verdrängt würden. Die Medienvielfalt wäre dann erheblich gefährdet. Im Drei-Stufen-Test geht es daher mit gutem Grund um den Schutz des Wettbewerbs vor Markteingriffen mit staatlich veranlassten Mitteln.
Aufgabe des Fernsehrates ist es, auch im laufenden Verfahren zu 3sat und phoenix folgende drei Kriterien zu prüfen. Entsprechen die Angebote den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft? In welchem Umfang tragen sie in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb bei? Und welcher finanzielle Aufwand ist hierfür erforderlich?
Inwieweit die Drei-Stufen-Test-Verfahren und die im Medienstaatsvertrag geltende Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der aktuellen Form grundsätzlich dauerhaft die im Beihilfekompromiss von der EU-Kommission erwünschten Ziele erreicht haben oder erreichen können, bleibt eine wichtige Debatte: spätestens, falls die EU-Kommission sich im Rahmen einer neuen Beihilfebeschwerde wieder mit dem Thema befassen sollte. Insoweit hat der Fernsehrat bei allen Verfahren eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die Bundesländer haben auch in dieser Hinsicht bei ihren aktuellen Verhandlungen über den Auftrag der Rundfunkanstalten, gerade im Blick auf das europäische Recht, eine spannende Debatte auf dem Tisch.
#Fernsehrat: Die Telemedienkonzepte der Partnersender sehen die Anpassung der Verweildauern für sendungsbezogene Angebote vor. Welche Inhalte von 3sat und phoenix sollten wie lange online verfügbar sein?
Boyens: Das ist ein wichtiger Teil der Diskussion im Fernsehrat, zu der mehrere Stellungnahmen vorliegen und Gutachten über die Auswirkungen der wesentlichen Änderungen der Telemedienangebote von 3sat bzw. phoenix auf alle relevanten Märkte beauftragt wurden.
#Fernsehrat: Telemedieninhalte des Öffentlich-Rechtlichen können in größerem Umfang über Drittplattformen bereitgestellt werden. Welche Chancen und Herausforderungen birgt das?
Boyens: Begründet wird die Bereitstellung über Drittplattformen wie YouTube und Facebook damit, dass so mehr Menschen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten erreicht werden. Hier fehlt eine stärkere Diskussion darüber, warum das mit den eigenen Plattformen und Programmen der Rundfunkanstalten nicht gelingt und welche Schritte nötig sind, damit das gelingen kann, gegebenenfalls auch gemeinsam mit anderen Partnern als digitalen Gatekeepern.
Von der Ausspielung öffentlich-rechtlicher Inhalte über Drittplattformen profitieren Gatekeeper wie YouTube enorm. Ihre Angebote werden mit beitragsfinanzierten Inhalten massiv aufgewertet. Das trägt zur Machtvergrößerung der Gatekeeper bei, führt dort zumindest indirekt zu Mehreinnahmen und beschädigt so auch die Marktvielfalt in der digitalen Medienwelt. Wir müssen vielmehr darüber sprechen, wie wir die von Quasimonopolen beherrschte Welt des Vertriebes von Medieninhalten zukünftig vielfältig gestalten können. Der Digital Market Act der EU will das erreichen, ist aber bislang zu mutlos formuliert. Keinesfalls darf er das bestehende deutsche Kartellrecht und den Medienstaatsvertrag in der wichtigen Frage des Umgangs mit Gatekeepern schwächen.
#Fernsehrat: Künftig soll es vermehrt Inhalte unter der freien Creative Commons-Lizenz (CC-Lizenz) geben. Wie bewerten Sie diesen Trend?
Boyens: Creative Commons ist ja nicht eine einzige Lizenz, sondern eine US-amerikanische Organisation, die aus dem angelsächsischen Rechtsverständnis heraus verschiedene Lizenzen vorschlägt, die sich untereinander unterscheiden. Darum muss man sehr genau diskutieren, welche Art der Lizenz hier vorgesehen ist, und vor allem, ob das CC-System überhaupt passt. Wichtig ist, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Wert des Urheberrechtes als Motor für professionelles kreatives Schaffen anerkennt. Das in Deutschland aufgrund der EU-Copyrightrichtlinie gerade gestärkte Urheberrecht schützt mit guten Gründen die Leistungen der Kreativschaffenden und derjenigen, die kreative Leistung ermöglichen. Es ist für professionelle Kreativschaffende ein wesentlicher Teil der Existenzgrundlage und für Unternehmen der Medien- und Kreativwirtschaft ein zentraler Baustein für Investitionen und Innovationen.
Zur Person:
Inken Boyens ist Geschäftsführende Gesellschafterin der Boyens Medien GmbH & Co. KG in Schleswig-Holstein. Das seit 150 Jahren im Familienbesitz befindliche Medienunternehmen gibt u. a. Tageszeitungen heraus, darunter die Dithmarscher Landeszeitung. Inken Boyens ist als Vorsitzende des „Verbandes Zeitungsverlage und Digitalpublisher Norddeutschland“ Mitglied des Präsidiums „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V.“ und wurde von diesem Verband in den ZDF-Fernsehrat entsandt.