Eine Infektion mit multiresistenten Keimen ist für Patienten oft der Beginn einer langen Leidensgeschichte. Immer häufiger sind die gängigen Antibiotika wirkungslos. Gibt es Wege, die Killerkeime zu stoppen?
Nach einer aktuellen Studie infizieren sich 400.000 bis 6000.000 Patienten in Deutschland jedes Jahr neu mit Krankenhauskeimen, 10.000 bis 20.000 sterben daran. Die Wandlungsfähigkeit und die raschen Generationsfolgen von Bakterien machen aus „vertrauten“ Erregern lebensgefährliche Eindringlinge, gegen die kein Antibiotikum mehr wirksam ist.
Mit neuen Techniken wollen Forscher schneller erkennen, mit welchem „Gegner“ sie es zu tun haben und welches Medikament überhaupt noch hilft. Die Hoffnung: In noch kaum untersuchten Regionen könnten sich Organismen und Stoffe finden lassen, die sich als Schlüssel zu neuen Antibiotika erweisen. Weltweit sind Experten auf der Suche.
Ab den 1990er Jahren konnten mit neuen DNA-Analysen Schwachstellen im Stoffwechsel gefährlicher Keime erkannt werden. Forscher entwickelten synthetische Wirkstoffe, um die Erreger genau dort zu treffen. Man hatte jedoch einen Punkt unterschätzt: Die Keime sind extrem gut geschützt. Es ist schwierig, Wirkstoffe so zu gestalten, dass sie in das Innere einer Zelle vordringen können. Gelingt es doch, sorgen oft „Pumpen“ dafür, dass sie wieder hinaustransportiert werden. Viele Wissenschaftler gehen deshalb zurück zu den Anfängen der Forschung: Früher wurden so gut wie alle antibakteriellen Wirkstoffe bei Bakterien oder Pilzen gefunden. Denn unter Bakterien wie auch zwischen Bakterien und Pilzen herrscht ein ständiger Kampf um Lebensraum – jeder gegen jeden. Im Vorteil sind dabei Mikroben mit Wirkstoffen, die ihre Konkurrenten ausschalten.
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Die Suche nach möglichen antibiotisch wirksamen Stoffen führt Wissenschaftler an ungewöhnliche Orte, zum Beispiel in kalte und lebensfeindliche Höhlen, wo Bakterien besondere Überlebensstrategien und Abwehrmechanismen entwickeln müssen. Amerikanische Mikrobiologen setzen auf tropische Gewässer: Hier ist die Mikrobendichte besonders hoch – und damit auch der Konkurrenzkampf der Mikroorganismen untereinander. Die Forscher hoffen, hier etwas noch Unbekanntes zu finden. Im Labor werden die Funde mit gefährlichen Bakterien zusammengebracht. Sind „Höfe“ sichtbar, werden Bakterien am Wachsen gehindert. Das deutet auf mögliche neue Antibiotika hin. Oft stehen Forscher vor dem Problem, dass neue Mittel zwar wirken, aber auch menschliche Zellen angreifen. Pro Jahr schaffen es nur wenige Stoffe in die pharmazeutische Erprobung. Für eine Zulassungals Medikament sind die Hürden hoch: Klinische Tests dauern über zehn Jahre und können bis zu einer Milliarde Euro kosten. Weltweit sind in den letzten Jahren nur etwa zehn neue Antibiotika auf den Markt gekommen, die speziell gegen bestimmte resistente Problemkeime wirken. So fehlen weiterhin Wirkstoffe gegen viele andere Krankheitserreger.
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Zeit ist ein wichtiger Faktor beim Kampf gegen die Mikroben: Mit jeder Stunde steigt bei Patienten nach einer Infektion mit aggressiven resistenten Erregern die Sterblichkeit um zwei bis drei Prozent. Man muss so schnell wie möglich wissen, welche Keime die Infektion auslösen – und welcher Wirkstoff gegen sie hilft. Doch bis sich im Labor angelegte Bakterienkulturen so vermehrt haben, dass eine Reaktion auf verschiedene Wirkstoffe sichtbar wird, vergehen bis zu 72 Stunden. Jede Verkürzung der Analysezeit erhöht die Überlebenschancen des Patienten. Am Leibniz-Institut in Jena haben Prof. Jürgen Popp und sein Team deshalb ein neues, kompaktes Analysegerät entwickelt, das optische Messmethoden einsetzt. Die Idee: Mit Hilfe der Lasertechnik lassen sich Bakterien identifizieren. Angeregt durch das Laserlicht geraten ihre Zellbestandteile wie Wasser oder Fette unterschiedlich in Schwingung, je nach Menge und Lage im Bakterium. So ist bei jedem Bakterium eine spezifische Kurvenform erkennbar – eine Art Fingerabdruck.
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Wichtig ist nicht nur, um welchen Erreger es sich handelt, sondern vor allem, welcher Wirkstoff ihn unschädlich macht. Um die Keime gezielt Medikamenten auszusetzen, fixiert man sie auf einer Art Computerchip in einem elektrischen Feld. Dann werden die Kammern des Chips mit unterschiedlichen Antibiotika befüllt. Das elektrische Feld sorgt dafür, dass die Keime für die Messung auf einen bestimmten Bereich konzentriert bleiben. Ihre Eigenschaften werden mit Laserlicht erfasst. Wirkt ein Medikament und stirbt ein Keim ab, zeigt sich eine Änderung der spezifischen Kurve. Bei resistenten Bakterien bleibt der Fingerabdruck unverändert. Schon nach knapp drei Stunden liegen die Ergebnisse vor. Am Universitätsklinikum Jena zeigte sich eine sehr hohe Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen „klassischer“ Labortests und denen aus Tests mit dem neuen „Lab-on-a-chip“. Doch bevor das Verfahren marktreif wird, müssen noch weitere Erprobungen und das Zulassungsverfahren durchlaufen werden.
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Ärzte wollen den Einsatz von Antibiotika im Krankenhaus reduzieren, um die Entwicklung neuer Resistenzen zu vermeiden. Aber solange Erreger nicht identifiziert sind, müssen infizierte Patienten mit Breitbandantibiotika behandelt werden. Diese greifen allerdings auch nützliche Bakterien, zum Beispiel im Darm, an und schwächen so das Immunsystem der Patienten. Im Universitätsklinikum Jena setzt man deshalb auf Schnelligkeit: Während heute viele andere Krankenhäuser ihre Proben in externe Labore schicken müssen, kommen sie hier im Haus mit der Rohrpost zur Untersuchung. Dank kurzer Wege und neuester Analysegeräte kann oft schon nach zwölf Stunden ein infektiöser Keim identifiziert werden. Außerdem werden schwere Fälle von einem Expertenteam begleitet. Das Ziel des sogenannten Antibiotic Stewardship ist, alle Informationen über den Erfolg von Therapien und in der Klinik entdeckte Resistenzen in die konkrete Behandlung einzubringen. So kann der Infektiologe sich ganz auf die Erreger konzentrieren und in Abstimmung mit der Fachapothekerin ein passendes Medikament auswählen, während der behandelnde Arzt den Zustand des Patienten stabilisiert. Dank des Antibiotic Stewardship konnte in Jena die Todesrate bei Infekten mit hochgefährlichen Keimen von 23 auf 11 Prozent gesenkt und die Entwicklung von Resistenzen eingedämmt werden.
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Forscher suchen nicht nur an entlegenen Orten, sondern auch in exotischen Tieren nach neuen Wirkstoffen. Warane, eine Echsenart, die seit über 100 Millionen Jahren auf der Erde lebt, ernähren sich von Aas. Mit ihrer Nahrung nehmen sie ständig schädliche Bakterien auf, die sie abwehren müssen. Forscher vermuten, dass sich im Speichel der Warane eine effektive "Waffe" verbirgt. Bei Laboranalysen wurden knapp50 verschiedene Peptide entdeckt – Eiweißketten, die auch eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Im Labor wirken einige von ihnen sehr effektiv bei der Bakterienbekämpfung, sogar bei Keimen, deren Zellwand für viele herkömmliche Wirkstoffe undurchdringbar ist. Die speziellen Peptide heften sich direkt an die Zellwand dieser Erreger. Sie reißen Löcher in die Zellwand und zerstören so das Bakterium. Bei den Peptiden aus dem hochgiftigen Waranspeichel ist allerdings noch ungewiss, ob sie sich so modifizieren lassen, dass sie für den Menschen unschädlich sind.
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Auch der Insektenforscher Prof. Andreas Vilcinskas am Fraunhofer Institut in Gießen ist vom großen Potenzial der Peptide als neue Form von Antibiotika überzeugt. Er forscht allerdings von vornherein an Tieren, die für Menschen unschädlich sind. Anregungen bekam er durch eine alte Heilmethode: Im Amerikanischen Bürgerkrieg wurden sogenannte „Wundmaden“ zur Wundversorgung erfolgreich eingesetzt. Die Larven bauten nicht nur totes Gewebe ab, sondern förderten auch die Wundheilung. Diese Maden produzieren Abwehrstoffe, die nicht nur für den Menschen gut verträglich sind, sondern sogar das Potenzial zur Abwehr gefährlicher Keime haben: antimikrobielle Peptide. Der Nachteil: Peptide werden allgemein sehr schnell vom Körper wieder ausgeschieden und sind somit nur bedingt für eineinnere Anwendung geeignet. Deshalb sollen zunächst Mittel zur Inhalation entwickelt werden, mit denen sich Keime bei gefährlichen Infekten in der Lunge bekämpfen lassen.Erste Salben zur Wundheilung mit Peptiden sind bereits auf dem Markt.
Bakterien entwickeln aufgrund ihrer Wandelbarkeit immer neue Resistenzen und sind genauso globalisiert wie wir. Die Suche nach Wirkstoffen wird daher nicht enden.
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