Der Klimawandel und seine Folgen werden immer deutlicher spürbar – etwa durch die Zunahme von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen, durch das Schmelzen von Gletschereis sowie steigende Meeresspiegel.
Keine klimaschädlichen Gase mehr freisetzen
Der Klimawandel ist zu einem großen Teil auf die steigende Konzentration von CO2 in der Atmosphäre zurückzuführen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben sich nicht nur viele Länder, sondern auch etliche Unternehmen aus verschiedensten Branchen eine „Netto-Null“ bei den CO2-Emissionen zum Ziel gesetzt. Das bedeutet: In Summe sollen, etwa durch die Fertigungsprozesse eines produzierenden Unternehmens keine klimaschädlichen Gase mehr freigesetzt werden.
Allerdings wird das ausschließlich durch die Reduzierung der Emissionen von CO2 nicht zu schaffen sein, da sich das Entstehen des Treibhausgases nicht überall vollständig vermeiden lässt. Wie lässt sich das Ziel einer klimaneutralen Ökonomie und Gesellschaft trotzdem erreichen?
Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen
Antje Bulmann, Viktor Fetter und Tobias Horn haben dafür einen hilfreichen Baustein geschaffen. Das nominierte Team entwickelte eine ursprünglich für die Raumfahrt konzipierte Technologie so weiter, dass sich damit der Luft das darin enthaltene Kohlendioxid (CO2) entziehen lässt. Auf diese Weise ist eine aktive Entnahme des Klimagases aus der Atmosphäre möglich, durch die sich unvermeidliche Emissionen, beispielsweise in Industrie, Verkehr, Energiegewinnung und Landwirtschaft, kompensieren lassen.
Mehr noch: Die Innovation räumt auf mit CO2 und macht das Gas zugleich nutzbar. Sie schlägt somit quasi zwei Fliegen mit einer Klappe – und ebnet den Weg hin zu einer Wirtschaftsweise, die den Klimawandel nicht weiter anfacht. Antje Bulmann leitet das Entwicklungsprojekt bei Airbus in Hamburg, Viktor Fetter ist Tech-Lead und Projektmanager und Tobias Horn Chefingenieur für die Direct Air Capture Technologie für terrestrische Anwendungen.
Herausforderungen für die Filtertechnik
Die Notwendigkeit negativer CO2-Emissionen betont unter anderem der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht. Die daran beteiligten internationalen Wissenschaftler betrachten speziell das Entfernen des Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre als ein wesentliches Element, um das gesteckte Klimaziel erreichen zu können: die globale Erwärmung auf maximal 1,5 bis 2 Grad Celsius gegenüber dem Temperaturniveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Eine Möglichkeit dafür haben die Nominierten geschaffen.
Die Technologie, um CO2 aus der Luft zu filtern, war bei Airbus zunächst für den Einsatz auf der Internationalen Raumstation ISS entwickelt worden – als Teil des Lebenserhaltungssystems für die Astronauten an Bord. Das Modul reduziert den CO2-Gehalt der Luft in der Raumstation und ermöglicht so eine wirkungsvolle Versorgung der Crew mit Sauerstoff. Dieses Modul nutzten die Nominierten als Grundlage für ein System, mit dem sich auch bei irdischen Anwendungen effizient Kohlendioxid aus der Luft entfernen lässt. Der Vorteil der Weltraum-Technologie: Sie funktioniert auch bei einer geringen CO2-Konzentration, wie sie üblicherweise an der Erdoberfläche vorherrscht: Hier macht das CO2 – trotz seines großen Einflusses auf das Klima – nur etwa 0,04 Prozent der Umgebungsluft aus. Das ist eine enorme Herausforderung für die neue Filtertechnik.
Einen geschlossenen Kreislauf schaffen
Die Abscheidung des Kohlendioxids aus der Luft verläuft bei dem sogenannten Direct Air Capture Modul schrittweise. Zunächst saugt ein Ventilator Luft an, die danach durch einen Filter strömt. Dieser besteht aus einem festen Material auf Basis eines Amins – einer stickstoffhaltigen chemischen Verbindung. Ein für das Abscheiden von CO2 besonders gut geeignetes Amin hat das Team bei Airbus eigens entwickelt und unter der Handelsmarke Astrine patentieren lassen. Wenn dieses Filtermaterial mit aus der Luft adsorbierten CO2 gesättigt ist, folgt der zweite Prozessschritt: Die Adsorber-Kassetten werden erwärmt – und das darin aufgenommene Kohlendioxid entweicht wieder. Das Gas wird in konzentrierter Form aufgefangen und kann anschließend auf unterschiedliche Weise genutzt, weiterverarbeitet oder permanent gespeichert werden.
Nutzen ließe es sich beispielsweise als Grundstoff für industrielle Produktionsprozesse. Unter anderem in der Chemiebranche wird CO2 in großer Menge zur Herstellung diverser, kohlenstoffhaltiger Substanzen benötigt. Bislang stammt das dafür eingesetzte CO2 aus der Verbrennung von Erdgas oder Öl. Mit der Technologie des direkten Einfangs des Gases aus der Luft kann dagegen ein geschlossener Kreislauf geschaffen werden, bei dem das Gas vielfach wiederverwertet wird – und nicht am Ende als klimaschädliche Emission in die Atmosphäre gelangt. Eine mögliche künftige Anwendung könnte auch in der Herstellung sogenannter eFuels liegen.