Fibromyalgie, Diabetes, Epilepsie, Multiple Sklerose: Es gibt viele Krankheiten, die für Außenstehende auf den ersten Blick unsichtbar sind. Die Betroffenen leiden gleich doppelt: Zu den Symptomen der Krankheit kommt oft das Unverständnis der Mitmenschen hinzu. Sie werden als Simulanten dargestellt, die sich mal zusammennehmen sollten; ihnen wird unterstellt, sie hätten nichts Schlimmes, da sie auf Außenstehende gesund wirken. Die Betroffenen, die an einer unsichtbaren Erkrankung leiden, wünschen sich manchmal, ihr Leiden wäre sichtbarer.
Kranke werden nicht ernst genommen
"Es handelt sich einerseits um Vorurteile, zum anderen um eine Aufwertung der eigenen Person", sagt Sozialpädagogin Dr. Carolin Tillmann, die unter anderem zum Thema "Diskriminierung bei (seltener) Krankheit oder Behinderung" forscht und an einem Ratgeber für Patienten arbeitet. Ist man mit sich selbst unzufrieden, kann man das mit Vorwürfen anderen Personen gegenüber kompensieren. "Der Begriff 'Sozialschmarotzer' wird oft und gerne verwendet, auch in diesem Zusammenhang", sagt die Expertin.
Außerdem handelt es sich oft um Symptome, die auch Gesunde kennen: Müdigkeit, Erschöpfung, Schmerzen. "Das wird von den Außenstehenden falsch eingeschätzt. Sie empfehlen dem Kranken zum Beispiel dann, sich mal so richtig auszuschlafen. Bei dem Kranken hilft das aber nicht", skizziert Tillmann. Das Gefühl, selbst zu versagen, in Verbindung mit fehlender Empathiebereitschaft, führt zu verbalen Angriffen.
"Bei Erschöpfung zum Beispiel glauben viele Menschen, der Kranke sei selbst schuld. Bei Krebs gibt es dieses Vorurteil nicht", sagt Tillmann. Es gehe im Grunde darum, wie bekannt eine Krankheit sei - davon hänge die soziale Anerkennung ab. "Aus der Forschung wissen wir: Psychische Erkrankungen und Süchte sind ganz unten, haben wenig Anerkennung. Dann kommen die körperlichen somatischen Erkrankungen und dann Krankheiten bei denen die Sinnesbeeinträchtigungen deutlich sind", ergänzt die Expertin.
Internet ist ideal für Anfeindungen
In den sozialen Medien ist die Hemmschwelle für Beschimpfungen niedriger. Zum einen ermutigt der virtuelle Raum durch seine Beliebigkeit und Schnelllebigkeit die Menschen zu Anfeindungen. Zudem bleibt man anonymer und kann sich hinter sogenannten Fake-Profilen verstecken. Die virtuelle Welt kann ohnehin sehr anonym sein und ist voll von rechtlichen Grauzonen. "Da ist eine Beleidigung schneller ausgesprochen, denn in den wenigsten Fällen wird ihr juristisch nachgegangen", so die Expertin.
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Hilfe für Betroffene
Die Nicht-Akzeptanz unsichtbarer Krankheiten stellt ein gesellschaftliches Phänomen dar. "Der Betroffene sollte Kommentare also zunächst nicht persönlich nehmen. Das ist natürlich nicht leicht", gibt Tillmann zu bedenken. Hilfe holen kann man sich zunächst im vertrauten Kreis der Familie und Freunde. Menschen, von denen man sich nicht ernst genommen fühlt, sollte man meiden. Das gilt auch für die Auswahl des behandelnden Arztes.
Unabhängige Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können zurate gezogen werden. Sobald es sich um massive Diskriminierung handelt, kann eine Beratung kostenlos bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingeholt werden. Weitere Informationen gibt es bei der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), Beratungsstellen der EUTB vor Ort sind hier aufgeführt.