Etwa 260.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall. Gängige Verfahren der Therapie nach Schlaganfällen sind die medikamentöse Auflösung eines Blutgerinnsels (Lyse) oder durch Versorgung auf einer Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit). Seit etwa drei Jahren hat sich ein neues Verfahren etabliert - die mechanische Entfernung des Gerinnsels (Thrombektomie).
Es ist seit 2015 auch eine Empfehlung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft in den Leitlinien zur Behandlung des ischämischen Schlaganfalls. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland etwa zehntausend Thrombektomien durchgeführt.
Voraussetzung
Eine Thrombektomie ist besonders in den ersten sechs bis acht Stunden nach bereits begonnener Lysetherapie geeignet, um Patienten zu behandeln, die einen Gefäßverschluss der mittleren Hirnarterie oder der ganz im Kopf gelegenen Hauptschlagader des Halses erlitten haben. Nicht geeignet ist das Verfahren für Verschlüsse, die weiter in den Außenbereichen des Gefäßbaumes liegen oder für Schlaganfälle, die nicht mit einem Gefäßverschluss verbunden sind. Ebenso ungeeignet ist eine Thrombektomie bei Blutungskomplikationen.
Durchgeführt werden kann eine Thrombektomie nach einer vorausgegangenen ausführlichen Schlaganfalldiagnostik, unter anderem mit körperlicher Untersuchung und Computertomographie, in der so genannten Gefäßangiographie. Der Eingriff wird entweder von einem Neuroradiologen oder einem Radiologen in enger Absprache mit Neurologen vorgenommen. In Deutschland gibt es derzeit etwa 450 Ärzte, die eine solche mechanische Entfernung eines Blutgerinnsels nach einem Schlaganfall vornehmen können. Wichtig ist zudem entsprechendes technisches Equipment in der Gefäßangiographie und die Anbindung an eine Stroke Unit, auf der der Betroffene im Anschluss engmaschig intensivmedizinisch überwacht und versorgt werden kann. Aktuell kann die Thrombektomie in Deutschland in etwa 140 Krankenhäusern durchgeführt werden.
Der Eingriff
Bei dem Eingriff wird eine kleine Stelle in der Leiste punktiert. Die Gefäße im Gehirn und der Verschluss lassen sich mit einem Kontrastmittel in der Angiographie darstellen. Über die punktierte Stelle wird ein Kathetersystem über die Blutgefäße bis ins Gehirn geführt. Dies geschieht unter ständiger Röntgenkontrolle. Ist die Stelle des Gefäßverschlusses erreicht, wird aus dem Schlauch ein feiner Draht (Stent-Retriever) freigesetzt, mit dem das Gerinnsel aus dem Gefäß herausgezogen oder gesaugt wird. Hiermit wird der wichtige Blutfluss in der Regel vollständig wiederhergestellt, so dass die Mangelversorgung in den verbundenen Gefäßen aufgehoben werden kann. Ein großer Vorteil dieser Rekanalisation ist, dass das Gerinnsel in der Regel vollständig und auf einmal entfernt werden kann. Das gelingt mit einer rein medikamentösen Auflösung in der Regel deutlich seltener.
Auswirkungen
Durch die Einführung der Thrombektomie konnten zahlreiche Leben gerettet und besonders viele schwere Schlaganfälle mit großen Gerinnseln wesentlich besser behandelt werden. So kommt es meist zu deutlich geringeren oder sogar keinen Gewebeverlusten. In der Konsequenz sind auch neurologische Ausfallerscheinungen und irreparable Schäden seltener und weniger stark ausgeprägt. Eine Thrombektomie ist natürlich auch mit Risiken verbunden, die aber, verglichen mit der Verbesserung der Erfolgsaussichten, relativ gering sind. So besteht das Risiko von Einblutungen und Nachblutungen. Ein spezifisches Risiko der Thrombektomie ist, dass das Gerinnsel bei der Entfernung mit dem Katheter verloren geht und möglicherweise ein anderes Gefäß verstopft. Diese seltenen Probleme können aber beim Eingriff in der Angiographie direkt erkannt und auf gleichem Wege behandelt werden.
Nach der erfolgreichen Thrombektomie und dem Aufenthalt auf der Stroke Unit (meist etwa acht Tage) beginnt für die Patienten in der Regel eine längere Rehabilitation, verbunden mit Ergotherapie, Krankengymnastik und Logopädie. Die Prognose hierfür ist durch das Verfahren in der Regel erheblich besser. Viele Patienten haben im Anschluss trotz schwerer Schlaganfälle oft nur geringe feinmotorische Störungen. Bei sich anschließenden Kontrolluntersuchungen spielen neurologische Tests und die Dopplersonographie im Ultraschall zur Kontrolle der Gefäßdurchlässigkeit eine große Rolle.