Ein Bad in der eiskalten Donau – für einen Tuberkulosekranken schien das im Jahr 1849 nach landläufiger Meinung das sichere Todesurteil. Der angehende katholische Priester Sebastian Kneipp wagte den Selbstversuch jedoch, der ihm in einem Büchlein namens „Unterricht von Krafft und Würkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen“ empfohlen worden war. Dieses Bad wiederholte er regelmäßig.
Das Ergebnis: Kneipp wurde gesund. Das war der Beginn der Kneipp-Kur, mit der Kneipp anschließend Hilfesuchende ungeachtet ihrer sozialen Stellung behandelte – gegen den erbitterten Widerstand der Schulmedizin. Gleichzeitig geriet das Bauerndorf Wörishofen ab 1855 so zum Ziel vieler Menschen, die an schwer oder gar nicht zu heilenden Krankheiten litten.
Die fünf Säulen
Heute ist die Kneipp-Kur von der Schulmedizin bestens erforscht und anerkannt. Sie beruht auf fünf Säulen.
Wohltuendes Wasser
Kaltes Wasser verengt die Blutgefäße. Endet der Temperaturimpuls, weiten sich die Gefäße wieder und es entsteht ein wohliges Wärmegefühl. Abwehrkräfte werden gestärkt, ebenso Kreislauf und Nervensystem, der Körper wird belebt.
Regelmäßige Güsse, die man sich auch zu Hause mit dem Gartenschlauch verabreichen kann, aktivieren die Selbstheilungskräfte des Körpers und stärken das Immunsystem langfristig.
Gesunde Pflanzen
Eines der vielen Zitate, die von Sebastian Kneipp überliefert sind, lautet: „Jedes Kräutlein hat seine eigene individuelle Wirkung.“ Immerhin hat Kneipp über 40 Pflanzen auf deren Heilkraft untersucht. Die Natur war für ihn die beste Apotheke. Als Tees, Tinkturen, Salben oder Säfte wandte er sie an.
Am bekanntesten ist der Heublumensack. Erhitzt und befeuchtet bekämpft er beim warm eingepackten Patienten am Schmerzherd Verspannungen, Krämpfe, Zerrungen – ganz ohne Nebenwirkungen.
Ausgewogene Ernährung
Die Kneipp’sche Küche ist einfach. Sie ist stark vegetarisch orientiert, allerdings ohne das Fleisch zu verdammen. Unausgewogene Ernährung – das erkannte schon Kneipp – führt zu Stoffwechselerkrankungen.
In der Kneipp’schen Küche haben Fette, Kohlenhydrate, Eiweiße, Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente ihre Berechtigung – aber Kneipp sagt auch: „Von allem genügend, aber von nichts zu viel.“ Die Kneipp-Therapie ist eine Therapie der Mäßigung – vor allem beim Essen wird das ganz deutlich.
Ausreichend Bewegung
Zu Sebastian Kneipp kamen nicht nur die Bauern der Umgebung – auch Vertreter des Hochadels suchten seine Hilfe. Und die behandelte er nicht anders als Knechte oder Tagelöhner. Er ließ sie – für die damalige Ständegesellschaft unerhört – körperlich arbeiten.
Deren Organismus reagierte wie der aller Menschen: Er wurde leistungsfähiger, besser durchblutet, kurz: gesünder. Müdigkeit und Leistungsabfälle werden weniger, wenn der Organismus die Bewegung gewöhnt ist. Es geht nicht um Hochleistungssport. Spaziergänge, Schwimmen, Radfahren sind Gold für den Körper und beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.
Die richtige Balance
Lebensordnung, Psychohygiene, Gesundheitserziehung – das waren große Themen für Kneipp. Wer mit sich selbst im Reinen ist, wer in geordneten, stressfreien Verhältnissen lebt, wer mit sich und der Natur im Einklang lebt, der lebt im Sinne von Sebastian Kneipp.
Er beugt psychosomatischen Erkrankungen vor und ist vor Burnout-Erkrankungen geschützt. Kneipp war katholischer Priester. Die Seele lag ihm besonders am Herzen, im christlichen wie im medizinischen Sinn.
Sebastian Kneipp starb am 17. Juni 1897, also vor 120 Jahren. Seine Lehre und seine Therapie sind bis heute brandaktuell.