Der VfB Stuttgart war nie wirklich weg - dieses Gefühl haben derzeit viele Schwaben. Für den Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga war aber schon eine kleine Revolution nötig. Hat der Abstieg dem Klub am Ende gut getan?
Jan Schindelmeiser klingt fast melancholisch, wenn er über Nachwuchsförderung spricht. Am liebsten hätte er nur Spieler aus Bad Cannstatt, die es dann in den Erstligakader schaffen, gab der Manager des VfB Stuttgart zum Besten.
Fans denken rosarot
Mit Träumereien rund um den Heimatstadtteil des VfB will sich Schindelmeiser dann doch nicht aufhalten. Es gebe derzeit keinen Anlass dazu, sagte er, und erklärte die Vergangenheit für beendet, um die Energie in die Zukunft zu lenken. Dass die rosarot aussehen könnte, würden die meisten Anhänger unterschreiben, glaubt der Manager.
Im Südwesten hat sich eine unerschütterliche Aufbruchsstimmung breitgemacht. Vergessen der bittere Abstieg vor einem Jahr, was daran liegen mag, dass der VfB 2017 ein anderer ist als der des Sommers 2016. Der Ausflug in die zweite Liga hat eine Art Revolution ausgelöst und dem abgestürzten Deutschen Meister von 2007 offenbar gut getan.
Mitglieder pro Ausgliederung
Dass 84,2 Prozent der Mitglieder für eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung stimmten und der Automobilbauer Mercedes so für 41,5 Millionen Euro 11,75 Prozent der Anteile erwerben konnte, kam einem Wunder gleich.
Mindestens so wichtig aber ist die Kehrtwende in Sachen Personalpolitik. Nachdem der Ruf als Talentschmiede der Republik ziemlich ruiniert war, planlos eingekauft und gefeuert wurde (meist mit großem Verlust), setzt die VfB-Führung auf junge Spieler und einen jungen Trainer.
Junger Trainer
Nicht alle waren überzeugt, als Schindelmeiser mit dem erst 36 Jahre alten Hannes Wolf um die Ecke kam, der vorher Dortmunds Nachwuchs betreut hatte. Von Bundesliga weiß der doch nichts, hieß es. Heute ist der VfB wieder in.
Ein Talent nach dem anderen wird gekauft. Die kommen zwar nicht aus Cannstatt, aber deren Verpflichtung zeigt, die Stuttgarter haben an Anziehungskraft gewonnen. Wie die Sache ausgeht, weiß Schindelmeiser nicht. Dass es jedoch wieder eine nachhaltige Strategie gibt, sorgt für Zuversicht. Nun müssen die VfB-Macher mit großen Erwartungen umgehen.
Unaufgeregt
Da hilft es, dass Trainer Wolf so pragmatisch unterwegs ist wie sein Chef im Vorstand. Als der VfB mit Ron-Robert Zieler einen der 2014er Weltmeister verpflichtete, dämpfte Wolf die Hysterie mit ein paar nüchternen Sätzen. Das sei Jahre her - und Zieler sei ja nur dritter Torwart ohne Einsatz gewesen. Dass Zieler enormes Potenzial nachgesagt wird, sagte Wolf erst viel später.
Potenzial haben wohl auch die weitgehend unbekannten Orel Mangala, Dzenis Burnic, Anastasios Donis, Chadrac Akolo und Ailton Ferreira Silva. Außerdem passen sie ins neue Beuteschema. Sie sind zwischen 19 und 22 Jahre alt. Wo Schindelmeiser die Neuen aufstöbert, weiß keiner so genau. Sicher ist, der Mann muss ein unerschöpfliches Netzwerk haben.
Stark verjüngt
Längst hat auch der neue Präsident Wolfgang Dietrich die Strategie einer Perspektivmannschaft nebst neu aufgestellter Nachwuchsförderung zur neuen Leitlinie erhoben. Der VfB ist also wieder jung - und mancher hofft, es fühlt sich bald an wie einst bei den jungen Wilden.
Die kamen damals zwar aus Bad Cannstatt oder zumindest aus der Umgebung, aber wenigstens, so sehen es die Anhänger, geht es nicht so weiter wie in den vergangenen Jahren.
Das viele Geld (Personaletat 40 Millionen Euro) wird nicht nur in Spieler investiert, sondern fließt zum großen Teil in Infrastruktur und Nachwuchszentrum. Und das steht mitten in Bad Cannstatt.