Im größten Moment des portugiesischen Fußballs konnte es kaum einen stolzeren Mann geben als Bruno de Carvalho. „Wir sind unvergleichlich“, jubelte der Präsident des Sporting Clube de Portugal nach dem gewonnenen EM-Finale gegen Frankreich. In der Tat: Von den 14 Spielern, die während des Endspiels das portugiesische Trikot trugen, waren nicht weniger als zehn in seinem Verein ausgebildet worden.
Zwei Weltfußballer hervorgebracht
Torwart Rui Patrício, die Verteidiger Cédric Soares und José Fonte, die Mittelfeldspieler William Carvalho, Adrien Silva, João Mário und João Moutinho, die Angreifer Nani, Ricardo Quaresma und ja, auch Cristiano Ronaldo. Durch diesen und Luís Figo ist Sporting zugleich der einzige Verein überhaupt, der gleich zwei Weltfußballer hervorgebracht hat.
Der Champions-League-Gegner von Borussia Dortmund hat also ein besonderes Gespür für die Jugend – und bringt mit dem 21-jährigen Gelson Martins gleich die nächste Perle mit ins Ruhrgebiet. Der Flügelstürmer, überzeugend auch beim 2:1 des BVB im Hinspiel, ist einer der Shooting Stars dieser Champions-League-Saison.
Ein Scout ist Vater des Erfolgs
Spätestens seit Manchester United den damals 18-jährigen Cristiano Ronaldo nach einem Testspiel in Lissabon buchstäblich vom Fleck weg kaufte, umweht Sportings Nachwuchsinternat den Hauch des Mythos. Genährt wird er auch dadurch, dass man gar nicht so viel darüber weiß. Nicht unüblich im Jugendbereich, der aufgrund der immer neugierigen Konkurrenz sowie aus Fürsorgepflicht gegenüber den Minderjährigen eher zu den Verschlusssachen im Fußball gehört. Der „Academia Sporting“ hilft zusätzlich ihre abgeschottete Lage rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernt am anderen Ufer des Flusses Tejo, inmitten von Natur und Weideland.
Dafür, dass die richtigen Spieler dorthin finden, sorgt Aurélio Pereira. Der ehemalige Trainer baute vor 30 Jahren das erste Scoutingsystem in Portugal auf, machte Sporting so zu ersten Adresse für Jugendliche und Partnervereine und ist längst eine lebende Vereinslegende. „Die Aurélios“ nannte Präsident Carvalho die portugiesische EM-Mannschaft. Als „besonderen Mann“ und „wichtigen Menschen in meinem Leben“ bezeichnet ihn Ronaldo. Obwohl mit 68 Jahren weiterhin im Job, trägt der Hauptplatz der Akademie aufgrund seiner Verdienste bereits Pereiras Namen.
6000 Kinder auf Sporting-Schulen
Über 6000 Kinder zwischen fünf und 14 Jahren besuchen inzwischen die Sporting-Schule, die talentiertesten kommen danach auf die Akademie. Manche gehen auch den Weg von der Straße zum Klub. Insbesondere die Einwanderer aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien wachsen oft in extrem armen Verhältnissen auf.
Nani etwa konnte sich als Teenager nicht einmal Bustickets zum Training leisten, der momentan an den VfB Stuttgart ausgeliehene Carlos Mané hatte kein festes Dach über dem Kopf. Auch der mit acht Jahren von den Kapverden immigrierte Gelson Martins ging Pereira eher zufällig ins Netz, als er mit zwölf erstmals bei einem Stadtteilklub vorspielte. 33.000 Euro zahlte Sporting als Ablöse. Nun liegt seine Ausstiegsklausel bei 60 Millionen Euro.
Talent von der Straße
Das Talent solcher Spieler nicht übermäßig in Schemata zu pressen, gehört zur Philosophie der Sporting-Akademie. Nicht umsonst sind Flügelkünstler die Spezialität des Hauses: von Paulo Futre, einem Star der 1980er Jahre, über Figo, Ronaldo, Quaresma und Nani bis hin zu Gelson. Die Nachwuchscoaches sollen Individualismus fördern statt ihn zu begradigen. Dribblings und Einzelaktionen werden gezielt trainiert.
Darüber hinaus brachte Sporting zuletzt aber auch in Serie erstklassige Mittelfeldspieler hervor. Zwei von ihnen, William Carvalho und Adrien Silva, spielen wie Rui Patrício auch als Europameister noch für den Verein. Fast eine kleine Sensation, denn lange halten kann Sporting als dritter Verein des Landes nach Porto und Benfica seine Stars eigentlich nie. Andernfalls wäre der Klub nicht nur „Europameister“ sondern wohl auch ein Kandidat für den Titel in der Champions League.