Wenn der FC Bayern München in der Champions League den FC Liverpool zum Rückspiel empfängt (Mittwoch, 21 Uhr), werden auch zahlreiche Fußball-Anhänger in Deutschland den Reds die Daumen drücken. So wie die Mitglieder der German Reds, dem größten Fanklub des FC Liverpool in Deutschland.
Gern hätte Ralf Lehmann das große Match zusammen mit Freunden in einem Pub in der Hamburger Innenstadt angeschaut - starke Rückenschmerzen machen ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung und er drückt für die Reds aus Liverpool zu Hause die Daumen. Genau wie Kerstin Albrecht, in deren kleinem brandenburgischem Dorf es kein Public Viewing zum Spiel gibt.
Die große weite Welt
Etwas neidisch werden die beiden an diejenigen denken, die Karten für das Spiel bekommen haben oder zumindest in einem Münchner Pub mit Gleichgesinnten mitfiebern können. Lehmann und Albrecht sind zwei von 401 Mitgliedern der German Reds, einem von drei Fanklubs des FC Liverpool in Deutschland.
Die German Reds wurden 2001 von drei Liverpool-Fans gegründet, die beim UEFA-Pokal-Finale in Dortmund dabei waren. Liverpool gewann damals gegen CD Alaves mit 5:4 durch ein Golden Goal.
Ralf Lehmann ist heute Vorsitzender der German Reds. Seine Leidenschaft für den englischen Klub entdeckte er in den 80iger Jahren in Dresden. "Damals war Liverpool für mich die große weite Welt, Namen wie Ian Rush und Graeme Souness haben mich fasziniert", sagt Lehmann.
Eine Bindung fürs Leben
Mitglied bei den German Reds wurde der 1974 geborene Lehmann aber erst 2008, kurz nach seinem ersten Besuch an der Anfield Road. "Das war ein 2:0 gegen den FC Chelsea mit Michael Ballack", erinnert er sich: "Ich war so begeistern von der Stadt, dem Stadion, der Mannschaft und den Menschen, dass ich sofort wusste: das ist etwas fürs Leben."
Allein 290 Fan-Klubs in 90 Ländern der Welt sind wie die German Reds von der Liverpooler Vereinsführung offiziell anerkannt. Was ist es, das Fußball-Fans dazu bringt, nicht bequem zum Klub in der Nähe zu gehen, sondern so oft wie möglich an den River Mercy zu reisen?
Gelebte Solidarität
"Etwas vergleichbares gibt es in Deutschland nicht", sagt Ralf Lehmann: "Man spürt dort, dass der Fußball eine ganz andere Tradition hat, dass dort seine Wiege ist. Es ist eher der klassische Fußball, es gibt weniger Fouls und Schwalben, es ist kämpferischer und dynamischer."
Auch sei die Fanunterstützung klassisch auf das Spielgeschehen bezogen und nicht von Vorsängern organisiert, wie bei den Ultras in Deutschland.
"Aber das ist die sachliche Seite", sagt Lehmann: "Im Grunde geht es ums Herz. Man spürt stärker als anderswo, dass die Leute noch an anders denken, als an Fußball und den Fanschal."
So werde zum Beispiel überall um das Stadion herum für sogenannte "Food banks" gesammelt, die mit den Tafeln in Deutschland vergleichbar sind.
Mehr als eine Hymne
Diese "andere Art, den Fußball zu leben" ist es auch, die die Lehrerin Kerstin Albrecht zur Mitgliedschaft bei den German Reds gebracht hat. "Das ‚Never Walk Alone‘ wird nicht nur gesungen, es wird auch gelebt", sagt Albrecht, die über ihren Sohn zur Supporterin der Reds geworden ist.
Auch die German Reds beteiligen sich bei ihren Besuchen an der praktizierten Solidarität und spenden dafür, dass bedürftige Kinder die Möglichkeit haben, ein Spiel im Stadion zu besuchen. "Trotz der Kommerzialisierung ist die Verbindung zu den Menschen immer noch zu spüren", sagt Ralf Lehmann.
Mangelware Tickets
Aber auch für Mitglieder eines offiziell anerkannten Fan-Klubs sind Eintrittskarten für die Spiele der Reds Mangelware. Vier bis sechs Mal im Jahr erhalten die German Reds vierzehn Tickets, für die ein möglichst gerechter Verteilungsschlüssel eingeführt wurde.
Ansonsten sind auch die German Reds darauf angewiesen, sich individuell um Tickets zu bemühen, fast alle sind auch Mitglieder beim FC Liverpool selbst. Höhepunkte im Vereinsleben der German Reds sind die jährlichen Treffen, von denen jedes zweite in Liverpool sattfindet.
Treffen mit Legenden
Dort haben sie immer eine eigene Band dabei, feiern in den Pubs mit den Einheimischen, besuchen ein Spiel und haben hin und wieder die Möglichkeit, eine Klub-Legende wie Didi Hamann bei einer Stadionführung zu treffen. "Das lässt sich der FC Liverpool allerdings bezahlen", sagt Kerstin Albrecht.
Auch wenn durch den Verlust der Tabellenführung die Euphorie einen kleinen Dämpfer erhalten hat - seit Jürgen Klopp Trainer ist, bläst nicht nur in Liverpool ein frischer Wind, auch die Zahl der Mitglieder der über ganz Deutschland verstreuten German Reds ist hochgeschossen.
"Klopp hat vom ersten Tag die Hoffnung geweckt, dass es wieder nach oben geht", sagt Ralf Lehmann, der wie Kerstin Albrecht auf einen 2:1-Sieg gegen den FC Bayern tippt, womit Liverpool nach dem 0:0 im Hinspiel weiter wäre. Aber auch wenn es in dieser Saison wieder keinen Titel geben sollte, wird das die Verbindung der German Reds zu ihrem Herzens-Klub nicht schwächen.