Nach dem ersten Achtelfinal-Aus in der Champions League seit 2011 versucht sich der FC Bayern auf die verbliebenen Titelchancen in Liga und Pokal zu fokussieren. Spannend wird, ob das gelingt - und ob der Umbruch im Sommer nun umso wuchtiger ausfällt.
Um sich hinterher der Gefühlswelt beim FC Bayern zu nähern, genügte beinahe ein Blick ins Gesicht von Uli Hoeneß. Nicht rot, sondern eher blass trat der Präsident aus dem Kabinengang und wollte eigentlich das Weite suchen, als er von Kamerateams und Medienvertretern bedrängt wurde. "Nur einen Satz", sagte Hoeneß, um dann doch deren zwei zu äußern. Erstens: "Liverpool hat einfach besser gespielt und verdient gewonnen." Und zweitens: "Mehr möchte ich nicht sagen."
Resignation statt Gepolter
Hoeneß, 67, ist nicht nur der langjährige Patriarch des FC Bayern, sondern auch so etwas wie dessen Seismograf. Er hat schon oft gepoltert und gestreichelt, je nach Situation und oft antizyklisch. Dass er aber nach der 1:3 (1:1)-Niederlage, die nach dem 0:0 im Hinspiel das erstmalige Aus im Achtelfinale der Champions League seit 2011 bedeutete, einfach nur den Status quo benannte und den verdienten Erfolg des FC Liverpool anerkannte, hatte beinahe etwas Resignatives.
Es wirkte, als habe Hoeneß schon längst verinnerlicht, dass am Mittwochabend eine Ära zu Ende gegangen war. Ebenso wie bei der Nationalmannschaft, die nach dem WM-Titel 2014 im Vorjahr in der Vorrunde gescheitert war und durch Bundestrainer Joachim Löw gerade die drei Münchner Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng aussortiert hat.
Mit Ausnahme von 2017, als im Viertelfinale Endstation war, hatte der FC Bayern zuletzt immer mindestens das Halbfinale erreicht. 2012 und 2013 standen sie jeweils im Finale und gewannen dieses vor sechs Jahren im zweiten Anlauf nach dem sogenannten Drama dahoam.
German Exit mit 3:17 Toren
Doch schon in den vergangenen Jahren wirkte es trotz teils knapper Abschiede aus der Champions League, als entferne sich die Spitze unter Europas Klubs zunehmend vom deutschen Branchenführer. Wie bei Franck Ribéry und Arjen Robben, das ein Jahrzehnt lang prägende Flügelduo, verblasste auch der Glanz der Münchner insgesamt. Nun komplettierten diese den German Exit im Achtelfinale, den Borussia Dortmund gegen Tottenham und der FC Schalke gegen Manchester City eingeleitet hatten.
Ein Punkt und 3:17-Tore stehen aus diesen insgesamt sechs deutsch-englischen Achtelfinal-Vergleichen in der Bilanz. Erstmals seit 2006 hat keine deutsche Mannschaft das Viertelfinale des wichtigsten Vereinswettbewerbs erreicht. Und der FC Bayern, das war im Kräftemessen mit Jürgen Klopps Reds bei den Gegentoren von Sadio Mané (26./84.) und Virgil van Dijk (69.) sowie Joel Matips Eigentor zum zwischenzeitlichen Ausgleich (39.) deutlich geworden, verfügte vor allem in der Offensive nicht über genug Wucht und Tempo, um den Sturz aus dem Establishment zu verhindern.
"Das Wollen war, glaube ich, zu spüren. Aber die Umsetzung hat gefehlt", sagte Kapitän Manuel Neuer, der mit seinem fehlgeschlagenen Ausflug aus dem Tor vor dem 0:1 das Aus eingeleitet hatte. "Wir hatten wenig Argumente, um weiterzukommen", befand Stürmer Robert Lewandowski und erkannte wegen der kaum vorhandenen Torchancen: "Das war viel, viel zu wenig."
Ziel ist nun das Double
Es klang später eher pflichtschuldig, dass die enttäuschten Münchner an die verbliebenen Titelchancen in der Bundesliga und im Pokal erinnerten. Beide Titel wolle man nun gewinnen, legte Trainer Niko Kovac fest, der die vergangenen Erfolgsjahre des FC Bayern aus der Ferne erlebt hatte - und dem gealterten Starensemble mit Eintracht Frankfurt beim Pokalsieg 2018 eine weitere hinweisgebende Schramme verpasst hatte. "Wir müssen versuchen, nicht wieder in ein Loch zu fallen, wie es uns letztes Jahr nach dem Halbfinale passiert ist", erinnerte Hummels an die Folgen des internationalen Ausscheidens gegen Real Madrid.
Es wird nun spannend zu beobachten sein, ob die erhoffte Trotzreaktion in der Liga und im Pokal tatsächlich eintritt und zu beiden Titelgewinnen führt. Oder ob sich doch ein Knacks einstellt. Mindestens ebenso spannend wird die Reaktion der Vereinsführung sein, die den seit Jahren im Raum stehenden Umbruch im Sommer mit einer Transferoffensive vollziehen will. Diese könnte nun umso wuchtiger ausfallen.
Hoeneß hatte ja erkannt, dass der Abstand zu Vorjahresfinalist Liverpool ziemlich groß war. Allerdings weiß er auch, wie sich die finanziellen Kräfteverhältnisse zunehmend verschieben. Vielleicht wollte er auch deshalb erst einmal nur den Status quo benennen.