Im Lager des Deutschen Ruder Verbandes haben nicht nur der Achter und Einer-Shootingstar Oliver Zeidler Titel oder Medaillenchancen. An den Finaltagen der Ruder-WM im bulgarischen Plowdiw könnte es durch den Doppel-Zweier und Vierer weitere Erfolge geben (am Sonntag ab 16 Uhr im ZDF).
Dass Rudern Kopfsache ist, hat kaum eine Besatzung so verinnerlicht wie die neun Männer im Achter. Kraft für die Höllentour über 2000 lange Meter ist ein Muss, keine Frage, aber neben der physischen Stärke zählt vor allem mentale Power.
„Wir sind alle heiß drauf, etwas zu vollbringen, was noch einem deutschen Achter geglückt ist“, sagt Hannes Ocik, Schlagmann und Taktgeber neben Steuermann Martin Sauer. Sauer, seit 2009 im Boot, gilt als mindestens so ehrgeizig wie die, die er antreibt und lenkt.
Rekordfahrt im Blick
Noch nie gelang es einem deutschen Achter, einen WM oder Olympia-Erfolg zu wiederholen. Das soll am Sonntag gegen starke Konkurrenz aus den USA, Australien, Großbritannien und den Niederlanden gelingen. „Du musst schon verrückt sein, um dich solch einer Herausforderung ernsthaft zu stellen“, glaubt der 27 Jahre alte Mecklenburger Ocik.
Die Zuversicht hat Gründe. Seit zwei Jahren ist das deutsche Paradeboot unbesiegt und geht als verschworene Gemeinschaft ins WM-Finale.
Der Zusammenhalt stimmt
Physisch sei man noch stärker. „Wir haben noch mehr Druck auf dem Kessel“, sagte Ocik der „Welt“ und ist sicher: „Wir sind eine richtig geile Truppe.“ Die neun Musketiere gewissermaßen. Einer für alle, alle für einen. „Wir haben uns bedingungslos ein Jahr geschunden, haben auf alles Private verzichtet, Hochzeiten, Familie, Freunde. Darum muss es jetzt richtig knallen“, verriet der erfahrene Antreiber.
Die deutschen Achter-Chefs sind überzeugt: Jeder ist beseelt vom Gedanken, das WM-Finale erfolgreich zu meistern.
Ein mentales Kraftpaket im Einer
Das gilt ebenso für Oliver Zeidler, der sich zuerst dem Schwimmen widmete und Erfolge bei den Junioren einfuhr. Seit knapp zwei Jahren überrascht der Quereinsteiger im schweren Einer nicht nur seine Trainer, sondern auch die internationale Konkurrenz. Drei Medaillen bei Weltcups zeigen, der 22-Jährige ist nicht nur umwerfend unbekümmert, sondern ein mentales Kraftpaket.
Die zündenden Ruder-Gene hat Zeidler wohl geerbt, schon sein Großvater Hans-Joachim Färber gewann 1972 im Vierer Olympia-Gold, Vater Heino ruderte in die deutsche Spitze und Schwester Marie-Sophie gewann EM- und WM-Medaillen bei den Junioren. Trotz der Erfolge in Badehose, hatte er im neuen Leben als Ruderer „wieder richtig Lust, mich zu quälen“. Der Lohn der Plackerei: Unerwartete Erfolge wie der Gesamtweltcup-Sieg. Sein Vater sagt über ihn, er sei ein Ausnahmetalent und fügt hinzu: „Er ist ein Besessener im positiven Sinne“.
Medaillenjagd mit guten Aussichten
Jason Osborne im leichten Einer kommt so locker rüber wie Zeidler. Der Mainzer trainierte nicht nur mit Zeidler, er strebt nach einer überragenden Saison Gold an. Der Doppelzweier von Timo Piontek und Lars Hartig ist ebenfalls ein Sieg-Kandidat.
Der Sprung aufs Treppchen ist dem Doppel-Vierer der Frauen nicht viel weniger zuzutrauen. Die Kielerin Frieda Hämmerling und ihre Kolleginnen Marie-Catherine Arnold, Carlotta Nwajide und Franziska Kampmann kündigten an, im Finale noch eine Schippe draufzulegen. Am Ende darf es bei vielen deutschen Booten also am liebsten Gold sein.