Im Eröffnungsspiel der 26. Handball-WM trifft Gastgeber Deutschland am Donnerstag (18 Uhr, live im ZDF) auf das vereinte Team Koreas. Trainer Cho steht vor der heiklen Aufgabe, der weltweit beachteten diplomatischen Mission sportlich gerecht zu werden.
Sie war Hendrik Pekeler sichtlich unangenehm. Der Kreisläufer vom THW Kiel lächelte nach dem letzten Test gegen Argentinien etwas gequält, als er um seine Einschätzung für das WM-Eröffnungsspiel gebeten wurde. Das vereinigte Team von Korea, das am Donnerstagabend in der Mercedes-Benz Arena in Berlin der deutsche Gegner sein wird, hatte gerade gegen den VfL Potsdam mit 26:30-Toren verloren, einen Drittligisten. „Tja“, sagte Pekeler etwas verlegen. „Man sollte diese Mannschaft trotzdem nicht unterschätzen.“
Michelmann unterstreicht Bedeutung
Auch Bundestrainer Christian Prokop zog es vor, über die sportlichen Qualitäten des Gegners zu schweigen. Zählt Korea doch zu den krassesten Außenseitern der WM. Dennoch wird das Team von Trainer Cho Young-shin zu Beginn der 26. IHF-Weltmeisterschaften die größten Schlagzeilen schreiben. Weil sie die erste vereinigte Mannschaft Koreas nach den Olympischen Winterspielen 2018 von Pyeongchang darstellt – damals lief, begleitet von viel Tamtam, ein vereinigte Frauenteam im Eishockey auf. Zweifelsohne ist der Aufritt einer gesamtkoreanischen Mannschaft in Berlin – jener Stadt, in der sich die politische Spaltung von Ost und West bis 1989 wie unter einem Brennglas offenbarte – von besonderer Symbolkraft. „Die Aussicht, eine gemeinsame koreanische Mannschaft in Berlin zu erleben, berührt uns aufgrund unserer eigenen Geschichte“, erklärte DHB-Präsident Andreas Michelmann im Juli, nachdem IHF-Präsident Hassan Moustafa von seinem Plan berichtet hatte. Es wird also im Eröffnungsspiel in der Mercedes-Benz Arena mehr Prominenz anwesend sein als bei jedem anderen WM-Spiel. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich angesagt, auch IOC-Präsident Thomas Bach, zu dem IHF-Präsident Moustafa ein enges Verhältnis pflegt. „Es wird ein historisches Event werden“, weiß Coach Cho. „Gerade Berlin ist ein Symbol für Friede und Einheit.“
Heikle Mission
Der Cheftrainer steht vor der heiklen Aufgabe, der diplomatischen Mission sportlich gerecht zu werden. Seit dem 21. Dezember arbeitet er daran, die vier Armeehandballer aus Nordkorea, die seinen 16-Kader für die WM per IHF-Erlass ergänzen dürfen, zu integrieren. „Wir werden der Welt eine einheitliche Mannschaft zeigen“, verspricht Cho, der vor der Abreise freilich einräumte, „großen Druck und eine große Verantwortung vor der Weltmeisterschaft“ zu spüren. Er sieht die weltpolitische Bühne, die sich seinem Sport unverhofft bietet, zugleich als Chance. „Wir werden mit diesem gesamtkoreanischen Team versuchen, den Männerhandball bei uns wiederzubeleben“, sagt Cho. Die großen Erfolge liegen lange zurück: Bei den Olympischen Spielen 2008 gewann das Team nach Siegen gegen Europameister Dänemark und Island sensationell die Vorrundengruppe.
Damals wurde das Team noch angeführt von der Linkshänder-Legende Kyung-shin Yoon, der für Gummersbach und den HSV so viele Tore in der Bundesligageschichte warf wie niemand sonst. Es wurde daher schon als großer Erfolg gewertet, als Südkorea 2018 im heimischen Suwon das erste Mal seit sechs Jahren wieder ein WM-Ticket ergatterte.
Anders als die Frauen, die seit dem Olympiasieg 1988 absolute Weltspitze darstellen, können die Männer die enormen körperlichen Defizite gegenüber den Europäern nicht ausgleichen. Sportlich werden die vier nordkoreanischen Handballer nicht viel helfen. Nordkoreas Handballer waren nicht einmal für die Asienspiele qualifiziert. Dass Nordkorea neben einem Delegationsmitglied vier Armee-Handballer zur WM entsendet, hält der Trainer für keine schlechte Idee: „Es ist der Job eines Coaches, den besten Weg zu finden, um das beste Resultat in jeder Situation zu erreichen“, sagte Cho, „und das ist auch der Geist von Soldaten“.