Gabriel Jesus von Manchester City erzielte vor 72.717 Zuschauern im ausverkauften Berliner Olympiastadion das einzige Tor für die Südamerikaner (38. Minute). Der 38 Jahre alte deutsche Ungeschlagen-Rekord von 23 Partien unter Jupp Derwall bleibt damit unerreicht.
Kroos übt deutliche Kritik
Bundestrainer Joachim Löw testete im letzten Länderspiel vor der Bekanntgabe seines vorläufigen WM-Kaders am 15. Mai zahlreiche personelle Varianten, bekam in dem Prestigeduell aber mehr Frage- als Ausrufezeichen. Deutliche Kritik am Auftritt der deutschen Mannschaft übte nach dem Schlusspfiff Toni Kroos. "Mannschaftlich überwiegt klar das Negative. Wir haben gesehen, dass wir nicht so gut sind, wie wir gemacht werden und wie es einige Spieler glauben", sagte der Star von Real Madrid im ZDF. "Vielleicht war es ganz gut zu sehen, dass noch eine Menge Luft nach oben ist."
Bundestrainer Löw sagte: "Das war heute nicht unser Tag. Wir haben uns viele Abspielfehler, viele leichte Fehler erlaubt und damit die Brasilianer stark gemacht. Heute waren ein paar junge Spieler auf dem Platz, die ihre Erfahrungen gemacht haben und daraus ihre Lehren ziehen werden. Zudem hat bei vielen Spielern die Körpersprache nicht gestimmt."
Stammkräfte nicht so leicht zu ersetzen
Dabei kam die deutsche Mannschaft zunächst eigentlich besser ins Spiel als noch beim 1:1 am Freitag gegen Spanien. Löw hatte in seinem 160. Länderspiel die Startelf auf sieben Positionen verändert, und es dauerte zu Beginn nicht lange, bis die Mannschaft ihren eigenen Stil fand. Im weiteren Spielverlauf zeigte sich aber, dass geschonte Stammkräfte wie Mesut Özil, Thomas Müller oder Mats Hummels eben doch nicht so einfach zu ersetzen sind. Die Brasilianer, die am Freitag 3:0 bei WM-Gastgeber Russland siegten und weiter auf den verletzten Superstar Neymar verzichten müssen, begannen mit Respekt und hatten erst nach einem Fehler von Ilkay Gündogan durch Philippe Coutinho eine gute Möglichkeit (11.).
Der deutsche Abwehrblock um den in seiner Heimatstadt erstmals als Kapitän beginnenden Jérôme Boateng stand zunächst sicher. Nach einem Schlag auf die Wade wurde Boateng in der 68. Minute ausgewechselt. Der international noch unerfahrene Marvin Plattenhardt schlug zwar einige ordentliche Flanken, schaffte es aber nicht, seine linke Seite gegen Willian zu verteidigen. Der Pass des Brasilianers hatte schon die größte Gelegenheit der Gäste eingeleitet, als Jesus Boateng und Antonio Rüdiger düpierte und über das Tor schoss (36.). Zwei Minuten später konnte Rüdiger eine Willian-Flanke nicht verhindern. Gegen den Kopfball von Jesus aus kurzer Distanz reagierte Keeper Kevin Trapp noch mit einem guten Reflex, konnte den Ball aber nicht abwehren. Trapp spielte für Marc-André ter Stegen, der in der Hauptstadt geschont wurde.
Gäste hätten Führung ausbauen können
Auch Stürmer Mario Gomez bekam seine Chance. Der Angreifer vom VfB Stuttgart war im Strafraum immer präsent, wartete aber vergeblich auf präzise Hereingaben. Nach einer guten Stunde wurde der 32-Jährige durch Sandro Wagner ersetzt, der sich mit seiner körperlichen Art noch einige Möglichkeiten erarbeitete. Einen Kopfball aus guter Position brachte der Münchner aber nicht auf das Tor (72.). Insgesamt zeigte sich, dass die weitgehend mit der zweiten Garnitur angetretenen Gastgeber durchaus eigene Qualitäten einbringen konnten, doch die Brasilianer traten wie von Löw prophezeit völlig anders auf als beim traumatischen 1:7 vor vier Jahren in Belo Horizonte.
Die Auswahl von Nationaltrainer Tite agierte kompakt mit einer überzeugenden defensiven Grundordnung. In der ersten Halbzeit stoppten sie deutsche Angriffsaktionen schon vor dem Strafraum. In der zweiten Halbzeit hätten die Brasilianer ihre Führung ausbauen können, die beste Möglichkeit vergab Jesus, der in der 68. Minute nicht ins leere Tor köpfen konnte. Der Weltmeister fand hingegen immer weniger Gegenmittel gegen die diszipliniert spielenden Südamerikaner. Zumal neu in die Elf gerückte Spieler wie Leroy Sané oder Ilkay Gündogan zu wenig gelang.