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Schmerzmittel im Fußball: Weit verbreitet, aber nicht alternativlos

Verschiedene Schmerzmittel (verfremdet)

Der Einsatz von Schmerzmitteln im Profifußball ist weit verbreitet. Profis aber auch Vereinen fehlt es noch immer am Bewusstsein für die oft weitreichenden Spätfolgen. Experten zeigen Alternativen auf, doch diese sind aufwändig.

Datum:
28.03.2017
Verfügbarkeit:
Leider kein Video verfügbar

Die entscheidende Phase in der Fußballsaison, in der die Entscheidungen in Bundesliga, Champions League, Europa League, DFB-Pokal fallen, steht an. Im Saison-Endspurt wird nichts unversucht gelassen, dass Berufsfußballer ihrem Beruf nachgehen können. Oft mit allen Mitteln. Und häufig unter dem Einsatz von Schmerzmitteln.

Zuletzt hat Lazlo Sepsi, der Linksverteidiger vom 1. FC Nürnberg, dem bei einer Sprunggelenks-OP freie Gelenkkörper entfernt wurden, verraten, wie es überhaupt zu dieser Verletzung kam. "Ich bin schon vor der Relegation gegen Frankfurt umgeknickt. Ich habe dann fast sechs Monate mit diesen unglaublichen Schmerzen gespielt." Fast jeden Tag nahm der 29-Jährige Schmerzmittel ein, "ich konnte meist nur mit Ibuprofen auf dem Platz stehen."

Diejenigen, die denken, dass es Profifußball ohne Schmerzmittel gibt, sind auf dem Holzweg.
Niko Kovac, Trainer Eintracht Frankfurt

Rund 60 Prozent der Spieler schlucken Schmerztabletten

Was beim "Club" geschah, scheint häufig noch gängige Praxis zu sein. Die Einnahme von Pharmazeutika wie Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen oder Voltaren – bekannte Mittel, um den Schmerz loszuwerden - hatte zuletzt auch Niko Kovac, Trainer bei Eintracht Frankfurt, gestanden: "Diejenigen, die denken, dass es Profifußball ohne Schmerzmittel gibt, sind auf dem Holzweg."

Schon bei der WM 2010 ermittelte eine Studie des Weltverbands FIFA, dass 60 Prozent der Spieler regelmäßig zur Tablette greifen. Die Zahl sei noch aktuell, glaubt der Pharmakologe Fritz Sörgel, der gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) sagte: "Ich kann den Spieler sogar verstehen, dass er Schmerzmittel nimmt, um spielen zu können. Bei dem Leistungs- und Termindruck geht es kaum noch anders." Wirklich nicht?

Es gibt durchaus Alternativen – aber die kosten Mühe

Zu einem anderen Schluss kommt Robert Erbeldinger als Herausgeber der "Sportärztezeitung", der im Gespräch mit ZDFsport.de betont: "Es gibt ganz klare Therapieoptionen als Alternative zu Schmerzmitteln." In der im April erscheinenden neuen Ausgabe der Zeitung werden die konservative Therapie und Sporternährung als Alternativen genannt, um auf die Schmerzmitteln zumindest teilweise zu verzichten.

Krankengymnastik, Stabilisation, Dehnung, Blackroll, Faszientraining und Yoga seien nicht nur Therapie, sondern eindeutige Trainingsinhalte, schreibt der Sportmediziner Klaus Pöttgen in dem Blatt. Pöttgen, bis 2016 Mannschaftsarzt des SV Darmstadt 98 tätig, nennt in seinem Bericht aufwändige Alternativen wie die Stoßwellen- oder Enzymtherapie. Und Ernährung habe beispielsweise in der Chirurgie einen Stellenwert als Therapeutikum, in der Sportmedizin des Spitzensports sei die Studienlage hingegen oft nicht bekannt.

Pöttgen bestätigt, was schon Helge Riepenhof als Mannschaftsarzt des AS Rom und Chefarzt für Sportmedizin und Prophylaxe am Klinikum in Hamburg-Boberg beklagt hat: Dass in der Bundesliga im europäischen Vergleich am wenigsten in die so genannte "Performance Teams" investiert wird. Pöttgen: "Jedoch stellt sich nicht nur die Frage, wie viel investiert wird, sondern auch, wer als Vorstand oder Sportlicher Leiter die Kompetenz hat, Qualität in diesem Bereich zu beurteilen."

Meist wissen die medizinischen Abteilungen der Vereine überhaupt nichts über eine vermehrte eigenständige Einnahme durch die Spieler.
Robert Erbeldinger, Herausgeber der "Sportärztezeitung

Geschluckt wie Nahrungsergänzungsmittel

Die vielen Trainer- und Managerwechsel, die oft auch mit erheblichen Fluktuationen im Team hinter dem Team verknüpft sind, helfen sicherlich nicht. "Ohne die ständige Motivation zum Thema Ernährung, Kontrolle, Bereitstellung, Zubereitung und Nachfragen gehen positive Effekte verloren", beklagt Pöttgen.

Erbeldinger nennt die TSG Hoffenheim, 1. FC Köln und FC Augsburg, RB Leipzig, Darmstadt 98 oder FSV Mainz 05 oder den Zweitligisten VfB Stuttgart als positive Beispiele für Vereine, in denen das Bewusstsein für die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln (oder schmerzstillenden Spritzen) geschärft ist.

Ein großes Problem sei jedoch die freie Verfügbarkeit dieser Medikamente. "Meist wissen die medizinischen Abteilungen überhaupt nichts über eine vermehrte eigenständige Einnahme durch die Spieler", so Erbeldinger. Schmerztabletten würden geschluckt wie Nahrungsergänzungsmittel.

Legale Lösung - mit Konsequenzen

Dem Experten fehlt es oft noch am Bewusstsein für die Problematik: "Die Bedeutung der Aufklärung ist bei dieser Medikamentenwahl sicherlich ein Basisproblem. Nebenwirkungen sind meist erst Jahre später bemerkbar oder gar nicht geläufig." Der Athlet vernachlässige die Regeneration auf Kosten seiner eigenen Gesundheit, "die Wahl solcher Medikamente ist dann eine einfache wie unkomplizierte frei zugängliche Lösung mit Konsequenzen", so Erbeldinger.

Ein Verbot würde nach seiner Meinung wenig bringen, schließlich stehen die Präparate nicht auf der Dopingliste. Vielleicht auch deshalb sagen Vereinsärzte oft nicht Nein bei Schmerzmitteln. Die Risiken bei der übermäßigen Zufuhr von Ibruprofen oder Diclofenac sind allerdings nicht zu verachten und reichen bis zum Herzstillstand. Oder führen – wie im besonders krassen Fall Ivan Klasnic – zu einer Niereninsuffizienz. Der einstige Klassestürmer des SV Werder nahm trotz schlechter Nierenwerte weiter jahrelang Schmerzmittel in hohen Dosen ein. Inzwischen wartet er auf die dritte Spenderniere. Mit 36 Jahren. Massenhaft die Tabletten einzuwerfen, das war für Klasnic als Profi so selbstverständlich wie Wassertrinken. Denn: "Ich wollte ja spielen."

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