Real Madrid feiert bis in die Morgenstunden seine erste Meisterschaft seit fünf Jahren. Auch in dieser Saison bot keine andere Liga so guten Fußball wie die spanische. Im Champions-League-Finale gegen Juventus wartet nun der Ruf der Geschichte.
Auch bei Real Madrid mag es Zeiten gegeben haben, in denen nationale Meisterschaften als Selbstverständlichkeit betrachtet wurden. Immerhin hat Spaniens Rekordtitelträger schon 33 gewonnen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Und so brauchte man Kapitän Sergio Ramos, Superstar Cristiano Ronaldo, Regisseur Toni Kroos und all die anderen gar nicht erst fragen, ob sie es im Hinblick auf das Champions-League-Finale in knapp zwei Wochen mit dem Feiern etwas ruhiger angehen lassen würden.
Das Gegenteil war der Fall. Spät in der Nacht zum Montag kehrten die Spieler nach ihrem entscheidenden 2:0-Sieg in Málaga in die Hauptstadt zurück – und vom Flughafen ging es sofort zur traditionellen Feierstätte an der Plaza de Cibeles, um ab 2.30 Uhr mit rund 50 000 wartenden Anhängern den Titel zu bejubeln.
„Jede Partie gespielt, als wäre es die letzte“
Viel Druck fiel von der Mannschaft ab, denn seit 2012 hatte das erfolgsbesessene Real auf diesen Moment gewartet. Zweimal hatte es seither die Champions League gewonnen, nie aber die Meisterschaft. „Wir haben jede Partie gespielt, als wäre es die letzte“, sagte Ramos nun. „Diese Liga ist die beste der Welt, deshalb ist sie so schwer zu gewinnen.“
Wer wollte ihm widersprechen. Mit Real, dem FC Barcelona und Atlético Madrid spielen drei Mannschaften in der Primera División, deren Niveau weltweit sonst allenfalls noch der FC Bayern und Juventus Turin erreichen. Erst mit dem Europa-League-Finale diese Woche wird eine Serie von zuletzt sechs spanischen Europapokalsiegen unterbrochen. Und der Fußball war in Spanien auch dieses Jahr wieder besser als anderswo, von unerhörter Brillanz gar beim jüngsten Clásico zwischen Real und Barcelona (2:3).
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Seit 64 Spielen immer ein Tor
Real musste Rekorde aufstellen, um zu triumphieren: In allen 38 Ligaspielen haben die Madrilenen getroffen, wettbewerbsübergreifend gar in den letzten 64 Partien. Vor allem aber musste Real wohl mal zur Ruhe kommen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Titel just in einer Saison erreicht wurde, vor der man auf dem Transfermarkt so wenig Geld ausgab wie seit 1998 nicht. Und ganz sicher ist er ein Verdienst von Zinédine Zidane.
Mit seiner unaufgeregten Art schaffte es der Trainer, Rückschläge wegzulächeln und die übliche Hysterie um den Verein zu entdramatisieren. Mit seinen Rotationen wiederum integrierte er den gesamten Kader, entlastete die Stars und hob Spieler wie Isco oder Asensio ins Rampenlicht. Einer wie Ronaldo ließ sich erstmals in seiner Karriere auf regelmäßige Kunstpausen ein und ertrug stoisch, dass ihn sein Dauerrivale Lionel Messi so in der Torjägerliste abhängte. Im Siegesjubel lobte er die „intelligente Teamführung“ Zidanes und erklärte: „Dieser Titel gehört uns allen.“
Mehr Wettbewerb, aber noch nicht genug
Andererseits weist die Überlegenheit selbst von Madrids „zweiter Mannschaft“ gegenüber den meisten Rivalen auch auf ein bekanntes Dilemma hin: entweder eine Liga hat keine Ausnahmeteams (wie zuletzt die englische) oder keine Ausgeglichenheit. Spaniens Fußballbetrieb ist wegen der hervorragenden Arbeit bei Klubs wie Atlético Madrid, Sevilla oder Villarreal ein gutes Stück weiter gekommen auf dem Weg zu mehr Wettbewerb, dazu werden neuerdings die Fernsehgelder gleichmäßiger verteilt als früher. Doch noch begünstigen die Umstände und nicht zuletzt die Schiedsrichter die Großklubs immer noch über Gebühr. Auch der Endspurt hätte spannender sein können – wären Real und Verfolger Barcelona noch stärker gefordert worden.
Im Champions-League-Finale wird das Juventus Turin sicher tun. Real kann erstmals seit 1958 ein Double aus Liga und Europapokal gewinnen und als erste Mannschaft überhaupt die Champions League im heutigen Format verteidigen. Fürs erste feiern die Madrilenen die ersehnte Meisterschaft. In Cardiff wartet dann die Geschichte.