Hinterzimmer-Deals in Paris:
So will Bach wohl IOC-Präsident bleiben
Laut der IOC-Charta müsste die Amtszeit von Präsident Thomas Bach nach zwölf Jahren enden. Hinterzimmer-Deals, Schauspielaufführungen und eine etwaige Charta-Änderung könnten das verhindern.
Lange vor den Olympischen Spielen in Paris konnten Beobachter erahnen, in welche Richtung es mit IOC-Präsident Thomas Bach gehen könnte. Bei der letzten IOC-Session in Mumbai im Oktober 2023 trug sich ein seltsames Schauspiel zu: Gleich mehrere IOC-Mitglieder - angeblich vorher nicht abgesprochen - ergriffen das Wort, huldigten ihren Präsidenten und forderten ihn zum Weitermachen auf. Das japanische IOC-Mitglied Morinari Watanabe erklärte: "Ich liebe Dich, Präsident Thomas Bach, sie sind eine tolle Person."
Eigentlich müsste Thomas Bach, der im Dezember 71 Jahre alt wird und das IOC seit 2013 anführt, gemäß Olympischer Charta (zwölf Jahre Regentschaft sind laut Charta erlaubt Anm. d. Red.) bei der nächsten Session, also der IOC Vollversammlung, 2025 in Athen, seinen Thron räumen. Der Mannschafts-Olympiasieger im Fechten von 1976 ist einer Verlängerung, so ist seit geraumer Zeit zu hören, nicht abgeneigt. Deshalb gab es in Mumbai erste, orchestrierte, kommunikative Vorboten. Und in den Tagen von Paris 2024 wurde in Hinterzimmern über eine mögliche Charta-Änderung oder juristische Tricks diskutiert.
Bachs politisches Manöver
Für Freitag hatte sich Bach in einem wohl politischen Manöver recht spontan zu einer Pressekonferenz angekündigt, damit er weder Samstag oder Sonntag über eigene Karrierepläne reden muss. Denn am Samstag zwischen 17 und 19 Uhr beschließt er die 142. IOC-Session, ehe die Sommerspiele am Sonntag enden. Nach der Vollversammlung ist keine Pressekonferenz für eventuelle Nachfragen zum Geschehen angesetzt.
So sagte Bach am Freitag lediglich: "Meine Präsidentschaft endet 2025 und es wird eine Wahl geben. Auf die ein oder andere Weise." Und später: "Sie können die Session verfolgen und sich dann darüber eine Meinung bilden, ob es Neuigkeiten gibt." Die IOC-Ethikkommission habe ihm im Frühjahr "untersagt, hier Stellungnahmen abzugeben. Das heißt: Nicht vor dem Ende der Spiele."
75 der 111 IOC-Mitglieder neu unter Bach
Im Hintergrund tagten die Mächtigen des IOC, in dem Bach über die Jahre immer mehr an Einfluss gewonnen hat. Unter Bach hat sich das IOC gewandelt, er hat es quasi komplett auf sich zugeschnitten. Auch weil 75 der 111 Mitglieder unter ihm aufgenommen wurden. Das schafft Abhängigkeiten.
Der Kanadier Richard Pound, der seit fast 50 Jahren im IOC sitzt, sprach im ZDF über eine mögliche Charta-Änderung: "Die Olympische Charta ist unser Grundgesetz, dem wir unterliegen. Es legt alles fest, die Regeln und Prinzipien, an die wir uns immer halten. Es ist das Wichtigste für uns und wird nur höchst selten verändert." Das IOC hatte zuletzt gleich zweimal dagegen verstoßen. Bei der Vergabe der Winterspiele 2030 an die französischen Alpen.
Charta-Änderung oder "juristische Interpretation"
Zwei Optionen sind momentan denkbar: Eine Charta-Änderung, die John Coates, Bachs engster Vertrauter und Vizepräsident auf den Weg bringen müsste. "Wir haben noch nicht über eine Verlängerung der Amtszeit gesprochen. Aber: man weiß ja nie. Die olympische Charta hat die höchste Priorität für uns", erklärte Coates, der auf ZDF-Nachfrage bestätigte, dass die Charta geändert werden müsste. Auf die Frage, ob er das tun würde, lächelte der Vizepräsident lediglich und verabschiedete sich achselzuckend.
Die zweite Möglichkeit nach ZDF-Informationen: In den vergangenen Tagen sind Gerüchte aufgekommen, wie sich das Problem der Bach-Verlängerung auch ohne Charta-Änderung lösen könnte. Es sei in Hinterzimmern um eine passende "juristische Interpretation" der Regeln gerungen worden. Um eine Sichtweise, die dem Boss aufgrund der Corona-Einschränkungen zwei weitere Thronjahre ermögliche. Das wäre laut Schweizer Rechtsauffassung möglich. Darum habe sich John Coates schon gekümmert, ist zu hören.
Auf der Session am Samstag könnte solch ein Vorschlag abgenickt werden. Der Rest, die Stimmabgabe pro oder contra Bachs Amtsverlängerung, sei Formsache. Sie könne nach den Spielen brieflich erfolgen.