In der NBA spielen Golden State und Cleveland um den Titel. Meister Golden State ist Favorit. Doch Cleveland hat LeBron James. Der ist zwar 33 Jahre alt, aber fitter denn je - dank eines Spezialistenteams und besonderer Ausstattung daheim.
In den USA diskutieren sie mal wieder. Wer wohl der bessere Basketballer sei? Michael Jordan oder LeBron James? Diese Frage ist immer dann aktuell, wenn James unglaubliches geleistet und sein Team aus einer scheinbar noch so schwierigen Lage zum Sieg geführt hat. So wie in der Halbfinalserie gegen die Boston Celtics.
James ohne Hilfe im entscheidenden Halbfinale
Sechs Partien waren absolviert, das Heimteam hatte seine Spiele jeweils klar gewonnen. In der siebten und entscheidenden Begegnung hatte Boston Heimvorteil. 10:0 lautete die diesjährige Celtics-Heimbilanz in den Playoffs. Und viele erwarteten den elften Sieg. Schließlich fiel bei Cleveland mit Kevin Love der zweibeste Akteur wegen einer Gehirnerschütterung aus. Die Kavaliere hatten also - wie so oft - nur eine Hoffnung: ihren King, LeBron James.
Und der legte die ganze Last auf seine breiten und durchtrainierten Schultern. Er gönnte sich keine Pause, spielte 48 Minuten durch. Er traf vorne, verteidigte hinten aggressiv, pflückte Rebounds unter dem eigenen sowie dem gegnerischen Korb. James war einfach überall. Ein echter Herrscher. Als sein Volk ihn brauchte, war der selbst ernannte König eindrucksvoll zur Stelle. Cleveland gewann 87:79. James erzielte 35 Punkte. Zum achten Mal nacheinander - und zum neun Mal insgesamt - hat er sein Team ins Finale geführt.
“Das wird bald deine Liga sein.”
Als dieser LeBron Raymone James Sr. 2007 erstmals auf der größten Basketballbühne stand, war er gerade 22 Jahre jung und bekam mit Überraschungsfinalist Cleveland von den erfahrenen San Antonio Spurs eine Lektion erteilt. Die Texaner gewannen eine langweilige Finalserie in vier Spielen. Doch das eigentlich Bemerkenswerte dieses Finals passierte nicht auf dem Basketball-Court, sondern nach der entscheidenden 82:83-Heimniederlage in den Katakomben von Clevelands Arena. Da nahm Spurs-Profi Tim Duncan, der gerade zum vierten Mal Meister geworden war, den jungen, enttäuschten James zu sich, schaute ihm in die Augen und sagte: “Das wird bald deine Liga sein.”
Nun war diese Ankündigung wahrlich nicht so schwierig wie das Vorhersagen der Lottozahlen. Schließlich galt James bereits als Ausnahmetalent, als er 2003 im Alter von 19 Jahren direkt von der High School in die beste Basketball-Liga der Welt kam. Andererseits gibt es aber eben auch viele Beispiele für Spieler, die ebenfalls hoch gehandelt wurden, mit den Erwartungen und dem Druck aber überhaupt nicht klargekommen sind.
Zahn der Zeit nagt nicht an ihm
James hingegen beweist seit mindestens einem Jahrzehnt, dass diese NBA tatsächlich seine Liga und er der Unglaublichste dieser vielen unglaublich guten Basketballer ist. Und das er auch mit 33 Jahren nicht nachlässt, sondern in einer famosen Verfassung ist. In einem Alter, in dem andere ihre Spielminuten reduzieren, die Sprungkraft nachlässt und die mitunter zehn Jahre jüngeren, quirligen Gegenspieler einen schon mal lächerlich machen können. Der Zahn der Zeit mag an anderen nagen - bei LeBron James ist er noch nicht einmal in der Nähe.
James stellte in der vergangenen Spielzeit neue Karriere-Durchschnitts-Bestwerte für Rebounds und Assists auf. In dieser, seiner 15. NBA-Saison, hat er erstmals alle 82 Vorrundenspiele absolviert. Hinzu kamen bislang 18 Playoff-Partien. Somit durchbrach James zum ersten Mal in seiner Karriere die Marke von 100 Spielen. In den Finals gegen Golden State kommen mindestens vier und maximal sieben weitere Begegnungen hinzu. Seit 2011 hat der Superstar jedes Jahr bis Mitte Juni gespielt, denn seit 2011 ging es für ihn immer um die Meisterschaft. Gefühlt ist er ein Profi ohne Pause - aber trotz dieser Dauerbelastung der Beste von allen.
Haus mit Whirlpool, Eisbad und Überdruckkammer
Um das Optimum aus Muskeln, Sehnen, Gelenken, Knochen und Kopf herausholen zu können, investiert er laut ESPN jährlich “eine siebenstellige Summe”. James hat um sich Spezialisten und Wissenschaftlern angesammelt, die ihm helfen, auch mit zunehmendem Alter in Top-Form zu bleiben. Zum James-Team gehören ein ehemaliger Navy Seal, Privatköche sowie Privatmasseure. Hinzu kommen die Fitnesstrainer und Physiotherapeuten der Cavaliers. In seinem Haus hat er ein voll ausgestattetes Fitnessstudio, einen Whirlpool, ein Eisbad und eine Überdruckkammer eingerichtet. “Ich arbeite jeden Tag rund um die Uhr an meinem Körper”, sagt James. Er versuche dabei, “effizient” zu sein. “Nach 15 Jahren weiß ich, was gut für mich ist.”
Doch obwohl James im Alter noch jung wirkt und alle anderen überragt, sind er und seine Cavaliers in der Finalserie gegen die Golden State Warriors nur Außenseiter. Krasser Außenseiter sogar. Ach was, niemand außerhalb des Bundesstaates Ohio traut ihnen etwas zu. Die Buchmacher in Las Vegas sehen James so klar hinten in dieser Schlacht gegen die kalifornischen Krieger wie noch nie in einer seiner bisherigen acht Finalteilnahmen. Oder andersherum: Golden State ist beim Wettanbieter Westgate SuperBook in Las Vegas so klar favorisiert wie seit 16 Jahren kein Team mehr. Doch genau diese Situationen liebt LeBron James. Wenn niemand ihm und seinem Team etwas zutraut, wenn die Siegchance scheinbar am geringsten sind, dann bringt er oft seine besten Leistungen. Dann wächst der König über sich hinaus. Und dann diskutiert Amerika, ob womöglich doch nicht Michael Jordan, sondern LeBron James der beste Basketballer aller Zeiten sei?