Knallharter Schnitt bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Joachim Löw plant das Team der Zukunft ohne Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels.
Der Länderspielauftakt gegen Serbien in Wolfsburg am 20. März soll das Aufbruchssignal in eine neue Ära werden. Löw kehrt damit von einer Haltung ab, die ihm häufig vorgeworfen wurde: Vielen verdienten Spielern wie Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger oder Mesut Özil, so die Kritik, sei er entgegen sportlicher Kriterien in Nibelungentreue verbunden gewesen. Das WM-Debakel ließ ihm nun keine andere Wahl. Am 24. März startet die DFB-Elf mit dem Spiel in Amsterdam gegen die Niederlande in die EM-Qualifikation.
Kein Weg zurück
Hier soll die unbelastete Jugend um Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Niklas Süle, Kai Havertz und Timo Werner ihre Chance bekommen, selbst Geschichte zu schreiben. Die für das "alte" Trio so bittere Nachricht, Löws härteste Entscheidung seiner fast dreizehnjährigen Amtszeit, überbrachte der Bundestrainer am Dienstag in München persönlich.
Sie ist ein radikaler Schnitt und der Bruch mit einer ganzen Generation. Eine Hintertür ließ er wie schon bei Sami Khedira (Juventus Turin) nicht offen. Es ist Tatsache - Thomas Müller, 29, Mats Hummels und Jerome Boateng, beide 30, sind raus.
Jérôme Boateng zeigte sich traurig über das abrupte Ende seiner Nationalmannschaftskarriere. Er habe zwar Verständnis für die Entscheidung des Bundestrainers, wie er in den sozialen Medien schrieb. «Dennoch hätte ich mir natürlich einen anderen Abschied für uns gewünscht.»
"Einmalige gemeinsame Jahre"
"2019 ist für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das Jahr des Neubeginns", sagte Löw. "Es war mir ein wichtiges Anliegen, den Spielern und Verantwortlichen des FC Bayern meine Überlegungen und Planungen persönlich zu erläutern." Der Bundestrainer dankte den drei Weltmeistern von 2014 "für viele erfolgreiche, außergewöhnliche und einmalige gemeinsame Jahre".
Nun aber sei es an der Zeit, "die Weichen für die Zukunft zu stellen. Wir wollen der Mannschaft ein neues Gesicht geben. Ich bin überzeugt, dass das nun der richtige Schritt ist". Die Sportliche Leitung wolle "nun konsequent den Neubeginn auch im Kader sichtbar machen", ergänzte Oliver Bierhoff.
Grindel lobt Entscheidung
DFB-Präsident Reinhard Grindel hat Löw für seinen harten Kurs beim Personalwechsel gelobt. "Ich begrüße es, dass Jogi Löw den Umbruch unserer Nationalmannschaft jetzt weiter entschlossen voranbringt. Der Beginn der Qualifikation für die EURO 2020 ist genau der richtige Zeitpunkt für personelle Veränderungen", wird Grindel vom DFB zitiert.
Auch Neuer wackelt
Der Umbruch könnte weitere Umwälzungen nach sich ziehen: Toni Kroos ist bei Real Madrid nicht mehr unumstritten, Manuel Neuer muss sich seinem seit geraumer Zeit herausragenden Konkurrenten Marc-Andre ter Stegen vom FC Barcelona stellen.
"Ich habe letztes Jahr mal gesagt, dass momentan Manuel die Nummer eins ist, er ist ja auch Kapitän", sagte der Bundestrainer zuletzt über die Situation im deutschen Tor, "aber in diesem Jahr haben wir sowas wie einen Neubeginn mit der Qualifikation. Da wird auch der Marc seine Chancen bekommen." Im Lichte seiner Entscheidungen vom Dienstag klingt das fast wie eine Drohung.
Die Alternativen
Hummels, Boateng und Müller hinterlassen eine Lücke, aber sie sind keineswegs unersetzlich. In der Innenverteidigung werden verstärkt Niklas Süle und Antonio Rüdiger und Thilo Kehrer in die Verantwortung rücken, auch Jonathan Tah steht bereit. In der Offensive stehen längst hochkarätige Alternativen wie Leroy Sane, auf den Löw für die WM verzichtet hatte, Havertz, Julian Brandt oder Werner bereit.
Für Platzhirsch-Denken, das dokumentierte Löw eisenhart, ist da kein Platz mehr.
Quelle: SID