Klimatisch eine Herausforderung, zeitlich ungünstig gelegen und überschattet von Korruptionsvorwürfen sowie Menschenrechtsverletzungen – die Welttitelkämpfe der Leichtathleten präsentieren sich vor ihrem Start am Freitag in Doha in keinem guten Licht.
Die Speerwerfer sind neben der weltjahresbesten Weitspringerin Malaika Mihambo die heißesten Medaillenkandidaten der deutschen Mannschaft bei den am Freitag startenden Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha, der Hauptstadt des Wüstenstaates Katar. Und sie sind lustige Gesellen. Die unguten Rahmenbedingungen dieser WM nehmen sie so gut es geht mit Humor. Weltmeister Johannes Vetter etwa kommentierte den späten Zeitpunkt der Titelkämpfe gegenüber dem Sport-Informations-Dienst mit den Worten: „Im Oktober liegt jeder Athlet normalerweise am Strand und schlürft gemütlich sein Bier.“
Man versucht sich zu arrangieren
Olympiasieger Thomas Röhler äußerte sein Unbehagen gegenüber der monströsen Klimaanlage im Khalifa International Stadium, die dafür sorgen soll, dass die Wettbewerbe bei etwas über 20 anstatt bei knapp 40 Grad ausgetragen werden, auf diese Art: „150 Puster pusten Richtung Tribüne. Da sind auf Bahn acht alle Läufer unter 40 Kilogramm gefährdet.“ Gefährdet, einfach mal weggeweht zu werden.
Gesa Felicitas Krause dagegen, als amtierende Europameisterin und WM-Dritte von 2015 über 3000 Meter Hindernis ebenfalls hoch für eine Podiumsplatzierung gehandelt, geht die Sache sehr ernsthaft an: Sie hat sich einen Stapel Rettungsdecken zugelegt. Diese silber-goldenen Dinger, die nervig knistern, aber schön warm halten. Die wird sie immer dabei haben, zur Not als Schmuggelware.
Spät und trotzdem heiß
Wegen der klimatischen Bedingungen in der Metropole am persischen Golf findet die Leichtathletik-WM in diesem Jahr so ungewöhnlich spät statt. Weshalb die Athleten nicht nur verspätet in den Urlaub fahren werden, sondern auch verspätet in die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Tokio starten werden.
Und richtig viel wird dieser späte Zeitpunkt für die WM noch nicht einmal bringen. Die Temperaturen tendieren trotzdem gegen 40 Grad und zudem herrscht wegen der Küstennähe Dohas eine enorme Luftfeuchtigkeit. Gesa Krause ist deshalb zu dem Schluss gekommen: „Man kann sich als Mitteleuropäer nicht in kurzer Zeit an solche klimatischen Bedingungen gewöhnen. Wenn ich jetzt nur noch in einer 40-Grad-Kammer laufen würde, würde ich mir alle Kräfte rauben.“ Sie setze daher lieber auf die richtige Vorbereitung: Immer passende Kleidung dabei haben und die Rettungsdecken als Nothelfer, um die Wechsel zwischen klimatisierten Innenräumen und heftig-heißen Trainingsanlagen gut wegstecken zu können.
Verantwortliche unter Korruptionsverdacht
Natürlich war das Klima-Problem bekannt, als die WM im November 2014 nach Doha vergeben wurde. Ebenso wie die Tatsache, dass das Dank seiner Flüssiggasreserven steinreiche Emirat seine Gastarbeiter menschenunwürdig behandelt und entlohnt. Doch das wurde damals einfach ignoriert. Heute muss sich der damalige Präsident des Welt-Leichtathletikverbandes (IAAF), Lamine Diack, wegen möglicher Korruption vor Gericht verantworten.
Nach seinem Sohn Papa Massata wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Fest steht, dass sich Katar seinen Plan, zur Sport-Großmacht zu werden, einiges kosten lässt. Die Handball-WM 2015, die Straßenrad-WM 2016 und die Turn-WM 2018, alle ausgetragen in Katar, untermauern das ebenso wie der ganz große Coup: In Katar wird in drei Jahren auch die Fußball-WM stattfinden – im November/Dezember 2022.
Proteste werden zugelassen
Was der aktuelle IAAF-Präsident Sebastian Coe vom aktuellen WM-Austragungsort hält, macht dieses Zitat deutlich: Er sehe sich "nicht in der Gemütslage, um Stimmen zum Schweigen zu bringen", sagte er der BBC. Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen oder massive Klimabelastungen (ein offenes Stadion um 15 Grad herunter zu kühlen ist nichts, was der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg zu Ohren kommen sollte) würde er zulassen – in einem Land, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung stark eingeschränkt ist.
Siebenmeter-Springerin Malaika Mihambo fasste das Dilemma im Deutschlandfunk so zusammen: „Als Athlet wird man sicherlich sehr gute Bedingungen vorfinden. Als Gastarbeiter, der beim Stadionbau geholfen hat, ist es wahrscheinlich etwas anders.“