Das Engagement stimmt, die Moral scheint intakt: Die deutsche Nationalmannschaft zeigt beim 2:1 gegen Peru dennoch Licht und Schatten. Bundestrainer Joachim Löw ist derweil von der Richtigkeit seines Weges überzeugt.
Dass es bei den Stadionsprechern der deutschen Nationalmannschaft bisweilen ein bisschen zugeht wie bei den Marktschreiern, kann ihnen niemand verübeln. Schließlich sollen sie in schwierigen Zeiten für gute Stimmung sorgen. Gleichwohl klang es ein bisschen übertrieben, als das Länderspiel gegen Peru (2:1) gerade abgepfiffen war und Oliver Forster lauthals ausrief: „Was für ein fröhliches, friedliches Fußballfest!“ Es folgte eine Eloge auf die deutsche Elf, die durch ein in der Entstehung doch sehr glückliches Tor von Debütant Nico Schulz (85.) gewonnen hatte.
Die DFB-Auswahl hatte wie schon zum Nations-League-Auftakt gegen Frankreich (0:0) eine ordentliche, weil engagierte Leistung geboten, aber zum Überschwang bestand mal gar kein Anlass. „Damit sich die Fans wieder voll und ganz mit der Mannschaft identifizieren können, braucht es noch einige sehr gute Leistungen“, sagte Joachim Löw auf der Pressekonferenz, in der der Bundestrainer einen aufgeräumten Eindruck hinterließ.
Vor allem fehlt noch die Effizienz im Abschluss
„Der Ehrgeiz brennt, die WM auszumerzen. Eine Jetzt-erst-recht-Reaktion ist zu spüren“, stellte der 58-Jährige fest. Der Arbeitssieg gegen spielfreudige Südamerikaner, die nicht zufällig in der Fifa-Weltrangliste vor Italien, USA oder Österreich liegen, wertete Löw als Zeichen für Mentalität und Moral. „Wir haben bis zum Schluss gekämpft, auch wenn das Tor auf glückliche Art und Weise fiel.“
Gleichwohl: Problematisch bleiben fehlende Effizienz im Abschluss und eklatante Mängel im Abwehrverhalten, die explizit beim Ausgleichstor von Luis Advincula (22.) den Novizen Schulz betrafen. Der Hoffenheimer Linksverteidiger bekam dafür auch vom obersten Fußballlehrer des Landes einen Rüffel verpasst: „Beim Gegentor kann er den Ball wegschlagen. Da hatte er die Situation eigentlich schon gelöst.“ Dennoch könne der 25-Jährige der Mannschaft mit seiner Dynamik gut tun und dürfte in den nächsten Spielen wiederkommen.
Kimmich ist in der Mittelfeldzentrale gesetzt
Ein anderer hat fast schon eine Stammplatzgarantie erhalten – Joshua Kimmich hat den Bundestrainer im September-Doppelpack auf der Sechser-Position umfänglich überzeugt. Deutschland hat seinen Casemiro auf der Königsposition gefunden. „Jo Kimmich hat jetzt zwei Spiele auf der Sechs gemacht. Das wird auch in den nächsten Spielen so sein, weil ich mit ihm zufrieden bin, weil er diese Position sehr gut bekleidet mit allem, was sie verlangt. Daran wird sich in den nächsten Spielen nichts ändern.“
Damit ist auch das 4-3-3-System mit dem Verzicht auf einen klassischen Spielmacher gesetzt, zumal sich Experimente in einem Monat eher ausschließen: Wenn die deutsche Mannschaft in der Nations League zu den Auswärtsspielen in Amsterdam gegen die Niederlande (13. Oktober) und in Paris gegen Frankreich (16. Oktober) antritt, dann braucht es ein gutes Grundgerüst, um in der Dreiergruppe nicht in die Bredouille zu kommen und womöglich in die B-Kategorie abzusteigen. Löw kann sich mit diesem Wettkampfmodus durchaus anfreunden, hält es doch alle Protagonisten – den Südbadener inklusive – unter Spannung. „In der jetzigen Phase ist es schon wichtig, dass die Mannschaft auf diesem Weg in punkto Taktik und Einstellung weitergeht.“
Gündogan wirkt umfassend rehabilitiert
Einen großen Schritt nach vorne unternahm – auf und neben dem Platz – dabei Ilkay Gündogan. Aus dem Problemfall, der Anfang Juni nach einem gellenden Pfeifkonzert in der Bay-Arena wegen der Erdogan-Affäre aufgelöst und tränenüberströmt in der Kabine hockte, ist für die deutsche Elf wieder ein spielstarker und selbstbewusster Faktor geworden; und nicht weil der in Gelsenkirchen geborene Kicker einer türkischstämmigen Familie auf einmal die Nationalhymne mitsang.
Der 27-Jährige hat vieles reflektiert. Der Tiefgang seiner Pässe, seine Rhythmuswechsel taten dem deutschen Spiel vor allem erste Halbzeit sichtlich gut. Der warme Applaus bei seiner Auswechslung, bei der in der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim anders als vor drei Tagen in München diesmal auch keine vereinzelten Pfiffe erklangen, machte die Versöhnung mit dem Publikum komplett.
Weiter gibt es Problempositionen
„Ich glaube, dass am Ende des Tages die Leistung auf dem Platz zählt. Die Zuschauer merken man gibt alles für die Mannschaft und die Nation, und dann springt auch der Funke wieder über. Es gab jetzt gar keine Pfiffe, das gibt mir ein gutes Empfinden und hilft letztlich auch der Mannschaft“, erklärte Gündogan hinterher. Löw hatte schon im Training „annähernd wieder den Ilkay gesehen, den man von der Vergangenheit kennt: Ilkay hat in dieser Woche bei uns wieder einen großen Schritt nach vorne gemacht.“
Damit dieses für die gesamte Mannschaft gilt, braucht es aber mehr Alternativen von internationalem Format auf den Außenbahnen und einen Torjäger mit Killerinstinkt. Timo Werner und Marco Reus tauschten zwar ständig die Positionen, aber verloren im Abschluss in fast schon erschreckender Manier die Übersicht. Es wird wieder Länderspiele geben, in denen sich solche Versäumnisse böse rächen könnten. Und dann könnte wieder Wehklagen einsetzen. Auch bei den DFB-Stadionsprechern.