Mit 4:2-Punkten sind die Halbfinalchancen der deutschen Handballer bei der 13. EM intakt. Und der Druck, der Uwe Gensheimer und Co. bislang lähmte, könnte verfliegen, da der Titelverteidiger gegen Olympiasieger Dänemark nicht als Favorit aufläuft.
Die pure Erleichterung. Sie war zu spüren bei der deutschen Nationalmannschaft nach dem mühsamen 22:19 (12:11)-Arbeitssieg gegen die Tschechen, dem ersten Hauptrundenspiel bei der 13. Handball-WM in Kroatien. Während die Abwehr um den nachnominierten Finn Lemke sich erneut steigerte und auch die Torhüter Silvio Heinevetter und Andreas Wolff mit starken Quoten glänzten, wirkte die Offensive immer noch lethargisch. Wie gelähmt.
Druck liegt beim Gegner
Doch es besteht Hoffnung, dass sich an dem verzagten Auftritt etwas ändert. Denn im Spiel gegen den Olympiasieger Dänemark (18:15 Uhr/ARD) marschiert der Titelverteidiger erstmals nicht als großer Favorit aufs Spielfeld. Der Druck liegt beim Gegner. "Wir sind das erste Mal Außenseiter in diesem Turnier“, sagte der Delegationschef des Deutschen Handballbundes, Bob Hanning. "Das ist ein K.o.-Spiel, das ist ein Duell, in dem es um alles oder nicht geht“, meinte Keeper Heinevetter.
Das allerdings ist so nicht richtig. Selbst bei einer Niederlage könnte dem deutschen Team, das aktuell 4:2-Punkte aufweist, bei einer günstigen Konstellation auch ein Sieg im abschließenden Hauptrundenspiel gegen Spanien reichen, um das gesteckte Ziel Halbfinale zu realisieren. Ganz sicher aber reichen drei Punkte aus den beiden Spielen. Ein Remis gegen Dänemark (4:2 Punkte), und der Europameister hätte alles noch in eigener Hand.
Man kennt sich
Großen Optimismus versprüht Abwehrchef Finn Lemke, dessen Rückholaktion sich bereits bezahlt gemacht hat. Die Führungsfigur glaubt fest daran, den 25:23-Hauptrundensieg von Krakau, der 2016 das Halbfinale bedeutete, nun in Varazdin wiederholen zu können. "Die Dänen sind uns mit ihrer Spielwiese näher als die Mannschaften vom Balkan", sagt der 25-Jährige von der MT Melsungen. Und in der Tat, man kennt sich.
Nahezu alle dänischen Topspieler verdienen seit Jahren ihr Geld in der Handball-Bundesliga. Henrik Toft Hansen, Rasmus Lauge, Lasse Svan und Anders Zacharissen sind Pfeiler der SG Flensburg-Handewitt, Torwartstar Niklas Landin und Rene Toft-Hansen spielen an Kieler Förde, Torwart Jannik Green und Michael Damgaard in Magdeburg, Hans Lindberg in Berlin, Mads Mensah Larsen bei den Löwen, Morten Olsen und Caspar Mortensen in Hannover. Sie alle eint, dass sie einen äußerst kultivierten und atemberaubend schnellen Handball spielen.
Keeper Wolff besonders motiviert
Der größte Star freilich ist Mikkel Hansen, der Halblinke von PSG St. Germain, der nahezu jeden Angriff auslöst und neben seiner Qualität als Shooter auch ein famoser Passgeber ist. Ein recht unbekannter Profi ist der Rückraum-Linkshänder Peter Balling, der seine Nachnominierung durch Trainer Nikolaj Jacobsen durch zwei starke Leistungen gegen Spanien und Slowenien rechtfertigte. Als "Schlüsselspieler" im dänischen Angriff betrachtet Bundestrainer Christian Prokop freilich Rechtshänder Lauge, weil er sehr große Fähigkeiten im Kampf Eins gegen Eins besitzt.
Was Mut macht: Auch vor zwei Jahren waren die Dänen klarer Favorit und ließen sich am Ende vom Außenseiter niederringen. Eine wichtige Rolle spielte damals Keeper Andreas Wolff. Der 26-Jährige wird nun besonders motiviert in die Partie gehen, weil sie zugleich ein privates Duell gegen seinen Partner im Tor des THW Kiel, Landin, darstellt. Wenn Wolff es schaffen sollte, die dänischen Schützen Lauge und Svan wie zuletzt in der Bundesliga zu entnerven, hat der Titelverteidiger gute Chancen. Und dann könnte die Atmosphäre, die bisher so gespannt war, sich mit einem Schlag aufhellen. Manchmal reichen dafür im Leistungshandball nur 60 Minuten.