Vor Kurzem noch abgeschrieben hat sich der FC Ingolstadt mit Tomas Oral im Zweitliga-Endspurt zwei Relegationsspiele gegen den Drittligisten SV Wehen Wiesbaden erkämpft (Fr., 18:15 Uhr im ZDF). Dabei griff der Trainer zu ungewöhnlichen Mitteln, um neuen Zauber zu entfachen.
Seit Tomas Oral die abstiegsgefährdeten Kicker des FSV Frankfurt vor vier Jahren durch eine Waschstraße laufen ließ, haftet ihm viel Geheimnisvolles an. Weil die Sache gut ausging, nämlich mit einem Sieg am letzten Spieltag, nahm der 46-Jährige kuriose Maßnahmen dauerhaft in sein Programm auf.
In Ingolstadt läuft die Sache weniger dramatisch ab. Die weißen Bändchen, die Oral verteilen ließ, sollen aber wie die Aktion in Frankfurt damals "ein Anker sein, aus dem jeder Kraft ziehen kann." Sich nach elf Niederlagen reinzuwaschen, war in Ingolstadt nicht nötig. Anders als beim FSV hatte Oral in Oberbayern ja sieben Spiele Zeit, um den Erfolg herbei zu missionieren. Etwas anderes als Zauberei schien dem FCI nicht mehr helfen zu können, als mit ihm, der bereits fünfte Trainer diese Saison sein Glück in einem von tiefer Unruhe geschüttelten Verein versuchen durfte. Nicht nur Trainer schickte man im Akkord vom Hof, auch Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor Harald Gärtner musste gehen, obwohl der dem Verein zwölf Jahre lang Herz und Seele gewidmet hatte.
Letzter und abgeschrieben
Die Lage schien erdrückend. Am 27. Spieltag war man Letzter und abgeschrieben. Jetzt, fünf Siege und ein Unentschieden später, erscheinen die "Endspiele" gegen Wehen Wiesbaden wie ein neues Wunder. Was genau die Bändchen, die jeder Spieler individuell beschriften sollte, auslösten wird nie genau herauszufinden sein. Aber seit die an den Handgelenken der Patienten baumelten, ackerten sich die Oberbayern mit rustikaler Spielweise nach oben.
Assistenztrainer Michael Henke fand, die Aufholjagd habe gezeigt, "dass die Mannschaft einen unheimlichen Willen hat, jedes Spiel gegen alle Widerstände umzubiegen." Gelingt es, diese Einstellung mit in die Relegation zu nehmen, "sind wir nicht zu schlagen", befand 62 Jahre alte Henke, als gelte es laut in den dunklen Keller zu pfeifen.
Moral und Selbstvertrauen sind zurück
Moral und Selbstvertrauen sind spürbar zurück und Ingolstadt darf sich als leichter Favorit gegen den Drittliga-Wettbewerber fühlen. Vor fünf Wochen sei man noch "mausetot" gewesen, beschrieb Oral die Situation bei seinem zweiten Engagement in Ingolstadt (nach 2011 bis 2013). "Jetzt lebt die Chance." Fast genüsslich beschreibt der FCI-Coach, was er einen klaren Auftrag nennt: "Wir wollen mit aller Gewalt in der Liga bleiben."
Man kann es fast erahnen, wie das Café heißt, das Oral in seinem Frankfurter Kiez betreibt. Vom Café "Leidenschaft" aus hatte der 2016 beim Karlsruher SC entlassene Fußballehrer Erkundungstouren unternommen, um alles über die Fußballklubs der Region herauszufinden.
Optimistischer Anhang
In Ingolstadt hoffen sie nun, dass auch der Relegations-Gegner Teil der Spionagetour war. Oral sagt mit einem Lächeln dazu nur: "Ich saß nicht ständig im Café." Die Anhänger der Schanzer jedenfalls sind heute wesentlich optimistischer als vor Orals Zeit. Zum letzten Liga-Spiel nach Heidenheim, der einzigen Niederlage, kamen beachtliche 1500 Fans mit und verwandelten die Schwäbische Arena in ein oberbayerisches Tollhaus - ganz ohne weiße Bändchen an den Handgelenken.