Urteil im Prozess zwischen Ex-Profi Ivan Klasnic und zwei ehemaligen Ärzten bei Werder Bremen. Diese seien für Klasnics Nierenfunktionsverlust verantwortlich, befanden die Richter und sprachen dem Ex-Spieler Schmerzensgeld zu. Klasnic wartet auf seine dritte Spenderniere.
In einem der spektakulärsten Prozesse der Bundesliga-Geschichte ist am Freitag vor dem Landgericht Bremen das Urteil gesprochen worden. Der Ex-Profi Ivan Klasnic erhält 100.000 Euro Schmerzensgeld plus Verdienstausfall für das Jahr 2007 von seinen ehemaligen Ärzten bei Werder Bremen. Die Höhe muss noch ermittelt werden. Beide Parteien können gegen das Urteil Revision einlegen, es ist noch nicht rechtskräftig.
In der Begründung des Urteils hieß es, dass den Ärzten Behandlungsfehler unterlaufen seien und sie somit grob fahrlässig gehandelt hätten. Beide seien für den Nierenverlust bei Klasnic und die daraus resultierende Folgen verantwortlich. Nach Auffassung der Zivilkammer hätten die Ärzte die auffälligen Nierenwerte des Fußballers erkennen und behandeln müssen. Dies sei nicht geschehen. Der frühere Mannschaftsarzt und die Internistin haften zudem für alle bisherigen und künftigen Behandlungskosten. Klasnic musste sich bereits zwei Nierentransplantationen unterziehen und wartet aktuell auf eine neue Spenderniere.
Dreimal in der Woche Dialyse
Beim Namen Ivan Klasnic denken die Werder-Anhänger heute nicht nur an die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte und an das furiose Offensiv-Trio Klasnic, Ailton, Micoud – sondern vor allem an eines der tragischsten Kapitel der Bundesliga-Geschichte. Heute fährt Klasnic dreimal pro Woche ins Universitätsklinikum Eppendorf und lässt jeweils fünf Stunden sein Blut reinigen – solange, bis er eine neue Spenderniere gefunden hat. Dieser Teil der Geschichte beginnt achtzehn Monate nach dem Triumph von München – am 2. November 2005 im Zentralkrankrankenhaus Bremen.
Während seine Kollegen im Weser- Stadion Udinese Calcio in der Champions League mit 4:3 besiegen, liegt Klasnic nur einen Steinwurf entfernt im OP-Saal und wird wegen einer akuten Entzündung am Blinddarm operiert. „Werder Bremen musste sein Team kurzfristig ändern. Klasnic fiel mit einer Blinddarmreizung aus und wurde durch Valdez ersetzt“, hieß es dazu im Live-Ticker des Kicker noch ahnungslos. "Der Blinddarm, das war unser Glück", sagt Klasnic damalige Frau Patricia später im Spiegel. „Wäre Ivan nicht wegen dieser Schmerzen ins Krankenhaus gekommen, dann wäre er womöglich irgendwann auf dem Platz tot umgefallen.“
Mit der Niere des Vaters zum Comeback
Bei den Untersuchungen stellen die Ärzte eine bis dahin unerkannte Nierenschädigung fest, die – wie sich später herausstellte – eine Spenderniere erforderte. Die zuerst transplantierte Niere seiner Mutter nahm der Körper nicht an, erst mit dem Organ seines Vaters konnte Klasnic wieder an sein früheres Leben anknüpfen. Und wie! Mit seinem Comeback im Spiel gegen Energie Cottbus im November 2007 wurde er weltweit der erste Profi-Fußballer, der mit einer Spenderniere spielte. Kroatiens führende Zeitung verlieh dem Nationalspieler den Preis "Tapferes Herz 2007".
In Bremen gestalteten sich die Dinge komplizierter. In seinem Klub arbeiteten immer noch die Mediziner, die er dafür verantwortlich machte, seine Nierenerkrankung Jahre lang nicht bemerkt zu haben. Im April 2008 weigert er sich, sich weiter von Mannschaftsarzt Götz Dimanski behandeln zu lassen. Erst nach einer Krisensitzung mit dem damaligen Sportdirektor Klaus Allofs kehrte vorübergehend Frieden ein – nach außen zumindest. Kurz darauf schlug Klasnic ein Angebot zur Vertragsverlängerung aus und zog einen Wechsel zum FC Nantes nach Frankreich vor.
Vereinswechsel und Klage
"Als Spieler bist du eine Maschine. Sieben Jahre lang habe ich alles gegeben, und solange die Maschine läuft, darf man sie nicht stören“, sagte Klasnic im Spiegel. „Wenn sie nicht mehr funktioniert, geht es ganz schnell: Dann bist du weg. Es ist ein dreckiges Geschäft." Ebenfalls im April 2008 reichte Klasnic über seinen Anwalt Klage auf Schmerzensgeld vor dem Landgericht Bremen gegen den ehemaligen Mannschaftsarzt Dimanski, die Internistin Manju Guha sowie die dazugehörigen Kliniken beziehungsweise Reha-Zentren ein. Seitdem sind neun Jahre und vier Verhandlungstermine vergangen, 1.500 Aktenseiten angehäuft, ein Vergleichsvorschlag abgelehnt und sieben verschieden Gutachten vorgelegt worden.
Das Warten geht weiter
Zur Urteilsverkündung war Ivan Klasnic nicht persönlich erschienen. Seinen größten Wunsch konnte es von vornherein nicht erfüllen: "Ich wünsche mir, dass ich bald eine neue Niere habe und dass ich mein Leben dann so genießen kann, dass ich keine Beschwerden habe", sagte er dem NDR.