Während Spielertransfers vor noch nicht langer Zeit die Angelegenheit von Trainern und Sportchefs waren, kommt heute kein Bundesligist ohne ein Dutzend Scouts und Analysten aus. Kaderplaner nennt man die Chefs dieser Abteilungen – manchmal sind sie die heimlichen Stars.
Noch knapp vier Wochen dreht sich das Transferkarussell in der Bundesliga. Je näher das Ende der Wechselperiode am 2. September rückt, desto erhitzter ist die Gerüchteküche. Kommt Leroy Sané zu den Bayern? Wohin wechselt der Dortmunder Maximilian Philipp? Wen holt Werder Bremen noch für die Abwehr? Das ist nicht anders als in den vergangenen Jahren. Neu ist hingegen, dass diejenigen, die normalerweise die Karussells am Laufen halten, jetzt mit drauf sitzen: die Kaderplaner.
Reschke, Mislintat, Boldt und Co.
Ein paar Beispiel der letzten Monate: Tim Steidten wechselte als Leiter der Scouting-Abteilung von Werder Bremen zu Bayer Leverkusen, Timon Pauls als Chefscout aus Bayern Münchens Nachwuchszentrum zu den Profis des FC Augsburg. Sven Mislintat heuerte nach seiner Entlassung als Chief of Recruitment beim FC Arsenal als Sportdirektor beim VfB Stuttgart an. Und Michael Mutzel stieg vom Leiter der Scouting-Abteilung bei der TSG Hoffenheim zum Sportdirektor beim HSV auf, wo der ehemalige Sportdirektor von Bayern Leverkusen, Jonas Boldt, im Mai sogar zum Vorstand Sport berufen wurde.
Einzig Michael Reschke, der Urahn aller Kaderplaner, musste auf seiner Odyssee durch die Bundesliga-Klubs einen Schritt zurücktreten und firmiert nach seinem Intermezzo als Sportvorstand beim VfB Stuttgart jetzt als Technischer Direktor bei Schalke 04.
Die mit dem Überblick
Egal wie ihre offizielle Bezeichnung in den Organigrammen ihrer Klubs lautet: Kaderplaner eint die Fähigkeit, mit einem großen persönlichen Netzwerk und fundierten Datenanalysen den Überblick über den weltweiten Spielermarkt mit seiner grassierenden Beraterszene zu behalten. Und den Wust an Informationen über Vertragslaufzeiten, Gehälter und Spielerprofile so zu bündeln, dass die Verhandlungsführer ihrer Klubs abschlussfähige Vorlagen erhalten, die sie nur noch zu verwandeln brauchen.
"Letztendlich ist es so, dass die Geschäftsführung um Frank Baumann die Verträge unterschreibt und somit die Hauptverantwortung trägt", sagte Tim Steidten bei "deichstube.de" über die Arbeit bei seinem Ex-Arbeitgeber Werder Bremen. "Ich muss daher vorher so genau wie möglich abklopfen, ob es sportlich sinnvoll ist und überhaupt in die Richtung eines Transfers gehen kann, muss also abschätzen können, ob der Transfer finanziell überhaupt möglich und sportlich sinnvoll ist."
Von der Pike auf
Längst vorbei sind die Zeiten, als allein der Trainer und sein Sportdirektor für Transfers verantwortlich waren, mitunter sogar in Personalunion wie bei Felix Magath in Wolfsburg und auf Schalke. Heute kommt kein Bundesliga-Klub mehr ohne ein Dutzend Mitarbeiter im Bereich Scouting, Datenanalyse und Kaderplanung aus. Manchester City soll bis zu dreißig Mitarbeiter im Scouting und der Analyse beschäftigen.
Verdiente Ex-Spieler werden in ihren Klubs zwar oft als Scouts beschäftigt, schaffen es aber selten an die Spitze der Abteilungen. Dort sind wie Tim Steidten meist Scouting-Experten, die ihren Job von der Pike auf in den Nachwuchszentren gelernt haben. Neben einem Gespür für Talente, analytischen Fähigkeiten sowie Kommunikation- und Führungsqualitäten verfügen sie über ein weltweites Netzwerk an Kontakten in die Funktionärs- Trainer und Beraterszene.
Netzwerker und Analytiker
Dabei bilden sich auch unter den Kaderplanern unterschiedliche Profile heraus. "Vor allem trafen mit Sanllehi und Mislinat zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander", schrieb das Magazin "11 Freunde" über den Abgang von Sven Mislinat bei Arsenal London, nachdem dort Raul Sanllehi zum Sportdirektor berufen wurde. "Der Spanier ist ein Mann der Berater und Netzwerke, der Deutsche ist zwar ebenfalls bestens vernetzt, agiert aber immer von einem klar analytischen Standpunkt aus."
Unterschiedlich sind auch die Rollen im Machtgefüge, die die Kaderplaner in ihren Klubs einnehmen. "Die Struktur vieler Vereine wird immer komplizierter", schrieb Berti Vogts in seiner Kolumne für das Nachrichtenportal t-online.de über angeblichen Bedeutungsverlust des Trainerjobs im Profifußball. "Standardmäßig gibt es einen Sportvorstand, einen Sportdirektor, einen Kaderplaner – und dann irgendwann kommt in der Hierarchie der Trainer. Wenn er Glück hat, an vierter Stelle."
Wichtiger als die Trainer?
Vogts machte auch klar, wie er sich die Rollenverteilung vorstellt. "Der Trainer sagt, welche Spieler er verpflichten will und welche Philosophie er mit der Mannschaft durchsetzen will – und daraufhin wird ein Kaderplaner erst aktiv.“ Ein musterhaftes Beispiel dafür seien die Entwicklungen des FC Liverpool unter Jürgen Klopp oder von Manchester City unter Pep Guardiola, schrieb der Ex-Nationaltrainer.