Die Emotionen fahren Achterbahn: Knapp vier Monate nach der enthusiastisch gefeierten Rückkehr ins internationale Geschäft startet der 1. FC Köln beim FC Arsenal in die Europa League - als Bundesliga-Schlusslicht.
Die Stimmung der Kölner Führungsriege in den Straßen von London war ausgezeichnet. Manager Jörg Schmadtke und Finanzchef Alexander Wehrle, beide in schicker Radlermontur, kutschierten das Trainerteam in Rikschas durch Englands Hauptstadt. Das Beweisfoto des munteren Ausflugs verschickte der Verein via Twitter. Allerdings nicht vor dem anstehenden Auftaktspiel der Kölner in der Europa League beim FC Arsenal. Sondern bereits am 27. Mai.
Trotziger Torwart
Eine Woche zuvor hatte das Team von Peter Stöger den Geißbockklub zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert ins internationale Geschäft geschossen. Die Rikscha-Tour durch London war der Dank an die sportliche Leitung für deren Coup. Dreieinhalb Monate später sind sie jetzt wieder alle zusammen an der Themse - als punktloses Ligaschlusslicht allerdings mit einem ordentlichen Kater.
Es ist ein ausgewachsenes Gefühls-Looping für die leicht entflammbaren FC-Fans. Angeblich 20000 von ihnen zog es zu dem sporthistorischen Termin auf die britische Insel. Trotz der nur 2900 vorhandenen Gästetickets. Richtig so, findet Timo Horn. Kölns Keeper ist in der Domstadt geboren, er sagt trotzig: "Wir haben nicht 25 Jahre auf solche Spiele gewartet, um uns das durch drei Wochen kaputt machen zu lassen."
Erschöpfter Trainer
Vor allem erschöpft war nach dem großen Triumph im Mai der Trainer. Die Abschlussparty nach dem hochemotionalen Sieg über Mainz verließ Peter Stöger viel früher als gedacht, und das Gefühl von Stolz auf das Erreichte stellte sich bei ihm auch den Sommer über nicht ein.
Speziell das unrühmliche Hickhack um Torjäger Anthony Modeste, der schließlich für 35 Millionen Euro zum chinesischen Erstligisten Tianjin Quanjian transferiert wurde, machte den Österreicher nachdenklich. Die immer schnelleren Wechsel der Spieler von einem Klub zum nächsten konterkarieren seinen Hang zu einem ruhigen, kontinuierlichen Aufbau. Seinen Gemütszustand beim Blick auf den aktuellen Kader kommentiert Stöger lakonisch: "Ich bin wie immer zufrieden."
Erdrückendes Erbe
Bei ihrem stetigen Aufstieg in den vergangenen Jahren wurden die Rheinländer regelmäßig für ihre dezente, gezielte Einkaufspolitik gerühmt. Mit Modeste ist der einzige torgefährliche Akteur nun weg, Nachfolger Jhon Cordoba (24) scheint von der Last seiner Erbschaft erdrückt zu werden - während neben dem Stürmer aus Mainz in erster Linie junge Perspektivspieler geholt wurden.
Gerade bei der ungewohnten Zusatzbelastung Europa League könnte die zum Teil ungewollte Zurückhaltung auf dem Transfermarkt - der Hoffenheimer Mark Uth etwa, der am Wochenende die Bayern abschoss, entschied sich gegen einen Wechsel zum FC - diesmal zum Bumerang werden. "Die Situation ist gefährlich", warnt Kapitän Matthias Lehmann. "Denn für uns geht es jetzt Schlag auf Schlag."
Der nächste Brocken wartet schon
Nach dem anspruchsvollen Gastspiel bei Arsenal erwartet die Kölner am Sonntag gleich der nächste Brocken – mit der Ligapartie bei Spitzenreiter Dortmund. "Da immer wieder den Wechsel hinzubekommen, ist nicht einfach", ahnt Schmadtke, bezeichnet die internationalen Auftritte als "Zubrot". Überrollen lassen wollen sich die einstigen Rikscha-Fahrer in London aber nicht. Im Gegenteil. "Das Spiel", betont Chefcoach Stöger tapfer, "ist eine weitere Möglichkeit, die Kehrtwende einzuleiten."