Etwa zwanzig Millionen Euro gibt der Profifußball in Deutschland jährlich für soziale Projekte aus. Reicht das, um seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden?
In Verbänden und Vereinen wächst die Einsicht, dass das Sozialmanagement kein Anhängsel des Marketings sein darf. Neben den großen Logos auf der Brust fällt ein kleines auf dem Ärmel der Fußballbundesligisten nicht besonders auf. Und doch sorgt diese Werbefläche jetzt bereits zum zweiten Mal für Wirbel. Im September 2015 überließ Ärmelsponsor Hermes die Fläche für ein Spiel der Initiative „Wir helfen“ – doch neun Zweitligisten beteiligten sich nicht an der Aktion, hinter der die Bild-Zeitung stand.
Sechzehn Klubs wollen nicht für Til Schweiger-Stiftung werben
Am 32. Spieltag dieser Saison will Hermes nun der Til Schweiger Foundation ihren Werbeplatz überlassen – und diesmal machen nach Angaben der „Welt“ sogar mindestens sechzehn Klubs beider Ligen nicht mit. Wird da soziales Engagement verweigert? Im Gegenteil: Die Begründungen für die Ablehnung zeigen das gewachsene Selbstbewusstsein einiger Bundesligisten bei der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.
So will der VfL Wolfsburg laut Geschäftsführer Thomas Röttgermann nicht mit dem Logo der Schweiger-Stiftung auflaufen, „weil wir in unserem eigenen CSR-Engagement unseren erarbeiteten konzeptionellen Überlegungen folgen möchten und fest davon überzeugt sind, dass diese dann auch authentisch und stringent kommuniziert werden müssen“. Immer mehr Bundesligisten überlassen ihr soziales Engagement nicht mehr dem Zufall, dem Vorstand oder dem Marketing, sondern haben nach Vorbild der Wirtschaft ein professionelles Corporate-Social-Responsibility-Management aufgebaut. Allerdings mit sehr unterschiedlichen personellen Ausstattungen und Entscheidungsbefugnissen.
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Kompetenz wichtiger als Konto
„Nicht das Konto ist dafür entscheidend, sondern die Kompetenz“, schreibt Ronny Blaschke in seinem Buch „Gesellschaftsspielchen – Fußball zwischen Hilfsbereitschaft und Heuchelei“ zur Durchschlagskraft sozialer Aktivitäten. In den Mittelpunkt der Analyse des unübersichtlichen Geflechts aus Stiftungen und Sozialmarketing, das sich um den Fußball herum gebildet hat, steht die Frage: Gehört gesellschaftliche Verantwortung zum Kerngeschäft des Profifußballs, oder ist es lediglich Anhängsel oder Marketinginstrument?
„Es geht nicht nur darum, dass Klubs einen Teil ihrer Gewinne an wohltätige Projekte weitergeben. Es geht darum, wie sie diese Gewinne überhaupt erwirtschaften“, sagt Blaschke und weist dem Fußball eine wesentlich stärkere soziale Rolle zu, als er sie bislang wahrnimmt. „Der Fußball ist ein Unterhaltungsbetrieb, der für die Grundbedürfnisse unseres Lebens entbehrlich ist. Doch gerade weil er so ernst genommen wird wie kein anderes entbehrliches Gut, muss er mehr in die Gesellschaft zurückspielen.“
Neue Töne beim DFB
Auch beim DFB sind seit kurzem neue Töne zu hören. Nachdem unter den Präsidenten Egidius Braun und Theo Zwanziger die Bedeutung sozialer Themen gewachsen war, hatte Wolfgang Niersbach die Parole „Zurück zum Kerngeschäft“ ausgegeben.
Der unter der neuen Ägide von Reinhard Grindel zum Vorsitzenden der DFB-Kommission „Gesellschaftliche Verantwortung“ ernannte Präsident des Bremer Fußballverbandes, Björn Fecker, sagt dagegen in einem Interview: „Die Debatte, die durchaus mal verbandsintern geführt wurde, nämlich die Trennung in Kerngeschäft und Anderes, gehört in die Ablage. Wir sind Bestandteil des Kerngeschäfts.“
Vorbild Werder
Vor ein paar Wochen saß Fecker gemeinsam mit Ronny Blaschke auf einer Podiumsdiskussion im Fan-Saal des Weserstadions und machte klar, dass es ihm bei dem Thema um mehr als reine Wohltätigkeit geht. „Ich finde, es gehört zur Rolle des DFB als gesellschaftlicher Akteur, etwa wenn es um Ausgrenzung oder Rassismus geht, einen Gegenpol zu bilden.“
Bei der gleichen Diskussion lobte Blaschke Werder Bremen für sein vorbildliches Sozialmanagement, das sich durch „Verortung in der Stadtgesellschaft“ und „Nachhaltigkeit“ auszeichne. Bei Werder kümmern sich in der CSR-Abteilung zehn Mitarbeiter um die Projekte mit Kindern, Behinderten, Älteren Menschen, Geflüchteten und anderen Zielgruppen, die eng mit den Aktivitäten von Schulen und anderen Vereine verzahnt sind.
„CSR muss unabhängig sein“
Auch bei Werder sind die Machtverhältnisse zwischen Marketing und Sozialarbeit nicht ausgehebelt. Aber immerhin gibt es hier unterschiedliche Strömungen, die durch die strukturelle Unabhängigkeit der CSR-Abteilung mit eigener Direktion abgesichert ist.
„Das CSR muss unabhängig sein“, sagt Werders ehemaliger Präsident Klaus-Dieter Fischer, der die Abteilung einst eingeführt hat. So weit gehen die anderen Klubs noch nicht.