Viele Tore, mächtig Spannung: Doch trotz schöner Kennzahlen geht der Bundesliga der einheimische Nachschub aus. Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit steht im Sportreport der Deutschen Fußball Liga auf dem Prüfstand.
Vordergründig läuft es in der Fußball-Bundesliga ja vortrefflich. Der Tabellenerste heißt nicht FC Bayern, sondern RB Leipzig, die Differenz beträgt nicht wie in England zwischen dem FC Liverpool und Manchester City 16 Punkte - und immer noch fallen nirgendwo so viele Tore wie in Deutschland: Aktuell nämlich 3,2 im Schnitt.
1000 Tore im Jahr 2019
Insgesamt waren es exakt 1000 Erstliga-Treffer im Kalenderjahr 2019, was es hierzulande zuletzt im Jahr 1997 gab. Und mit 27 Torschüssen pro Spiel wird häufiger aufs Tor geschossen als in England, Spanien oder Frankreich.
Zudem hielt der am Dienstag veröffentlichte Sportreport der Deutschen Fußball Liga (DFL) fest: "Ein deutliches Merkmal der Bundesliga ist die große Spannung in allen Tabellenregionen." Auch dem ist nach 19 Spieltagen nicht zu widersprechen.
Deutsche U21-Spieler mit nur drei Prozent Spielzeit
Gleichwohl scheut sich der für Fußballangelegenheiten und Fans zuständige DFL-Direktor Ansgar Schwenken nicht, den Finger in die Wunde zu legen. Denn die in vielen Statistiken und Schaubildern vertiefte Analyse macht fraglos deutlich, was Chef Christian Seifert bereits beim Neujahrsempfang ansprach: Die Bundesliga bekommt ein akutes Nachwuchsproblem. Vor allem aus deutscher Sicht.
War vor zwei Jahren noch fast jeder fünfte eingesetzte Bundesliga-Akteur ein U21-Spieler (insgesamt 17,1 Prozent, davon 7,8 Prozent deutsche Spieler), bekommen die einheimischen Talente jetzt nur noch drei Prozent an der Gesamtspielzeit ab.
Ein alarmierender Trend. Oder wie Seifert kürzlich sagte: "Wir müssen ohne Wenn und Aber anerkennen: Wir haben massiven Nachholbedarf mit Blick auf die sportliche Ausbildung von Top-Talenten."
Frankreich ist das Vorbild
Von den 557 Bundesligaprofis sind zwar 299 deutsche Lizenzspieler gelistet, aber deren Einsatzzeiten lassen im internationalen Vergleich zu wünschen übrig. Die oft für ihren hohen Ausländeranteil gerügte Premier League setzt fast sieben Prozent englische U21-Spieler ein, in der Ligue 1 ist schon jeder siebte Erstligaprofi ein junger Franzose. Die vielen abgewanderten Hoffnungsträger aus dem Weltmeisterland gar nicht mitgezählt.
"Wir müssen den Fokus noch intensiver auf den Nachwuchsbereich richten. Die Qualität nachrückender Spieler muss verbessert werden", fordert Schwenken, der die Entwicklung "bedenklich" findet.
Der frühere Zweitligaprofi will Borussia Dortmund gar nicht verübeln, einen Erling Haaland in die Liga gelockt zu haben. Im Gegenteil: Der 19-jährige Norweger müsse Ansporn sein: "Wir müssen sehen, wie wir unsere Qualität steigern und die Ausbildung weiterentwickeln."
Eigene Trainerausbildung
Die Liga müsse einen stärkeren Fokus auf gesellschaftliche Veränderungen richten. "Wir bemerken, dass der Migrationsanteil steigt, weil die nicht begünstigten Schichten im Fußball eine Aufstiegschance sehen", sagte Schwenken. Zielsetzung müsse sein, die Nachwuchsförderung wieder breiter anzulegen und letztlich auch besser zu machen.
Angedacht wird, eigene Trainer für die Leistungszentren gesondert aufzulegen. Eine Absenkung der Altersgrenze sieht der DFL-Direktor übrigens "nicht als Problemlöser", ohne dem Dortmunder Ansinnen damit eine Absage zu erteilen.
Die DFL sucht selbst noch nach dem Stein der Weisen. Seifert hat das vom DFB unter Oliver Bierhoff angestoßene Projekt "Zukunft" das wichtigste Programm "der nächsten zehn bis 15 Jahre" genannt.
Klubs erkennen die Verantwortung
Kurzfristig keine Sorgen macht sich die DFL um die internationale Wettbewerbsfähigkeit. "Es muss unser Anspruch sein, dass in den Viertelfinals der Champions League und Europa League mehr als ein deutscher Klub regelmäßig auftaucht", mahnte Seifert zuletzt.
Aktuell sind die 12,428 Punkte in der UEFA-Fünfjahreswertung und sechs Vereine in den K.o.-Runden eine ordentliche Basis, um auch die kommenden Jahre vier Fixstarter in der Champions League zu stellen. Schwenken berichtet von einem breiten Konsens der Klubs, "dass sich jeder der Verantwortung für den deutschen Fußball bewusst ist".
Problem sei die große Fluktuation der Europapokalteilnehmer in den vergangenen Jahren gewesen. Wenn Vertreter wie der SC Freiburg, Hertha BSC oder FC Augsburg nur einmalig mit dem internationalen Wettbewerb in Berührung kämen, fehlten Erfahrung und Stabilität. Schwenken begrüßt es daher, "wenn wir verlässliche Starter stellen". Könnte auf Dauer nur wieder langweilig werden.