Erst einmal trainiert Sportdirektor Horst Hrubesch übergangsweise die Frauen-Nationalmannschaft in den WM-Qualifikationsspielen gegen Tschechien (Samstag 16:15 Uhr) und in Slowenien (Dienstag 16 Uhr/live ZDF). Denn geeignete Trainerinnen gibt es noch viel zu wenig.
An den Gegebenheiten gibt es für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gerade mal gar nichts zu mäkeln. Residiert wird vor den beiden wichtigen WM-Qualifikationsspielen in einem Grandhotel direkt im Leipziger Salzgäßchen, trainiert wird auf dem Gelände von RB Leipzig am Cottaweg. Es soll an nichts fehlen, wenn unter erstmaliger Anleitung von Interimstrainer Horst Hrubesch eine neue Zeitrechnung für den deutschen Frauenfußball beginnt.
Nachfolge soll bis zum 10. Juni geregelt sein
Der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) soll die um die direkte Qualifikation zitternden deutschen Frauen gegen Tschechien in Halle und anschließend gegen Slowenien in Domzale auf Kurs halten, um die Endrundenteilnahme 2019 in Frankreich nicht zu gefährden. "In erster Linie geht es darum, neue Impulse zu setzen und den Kopf freizubekommen, um das volle Leistungsvermögen abrufen zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die WM-Qualifikation am Ende erfolgreich durchziehen werden", sagt der 66-Jährige.
Doch vermutlich wird es erst am 1. September auf Island ein Endspiel um den Gruppensieg und die Direktqualifikation geben – und dann soll nicht mehr Hrubesch am Werk sein. Noch vor dem Testspiel der DFB-Frauen am 10. Juni in Kanada, so bislang die internen Planungen, möchte der DFB die Nachfolge geregelt haben. Ob Frau oder Mann, das lässt der neue Sportliche Leiter Nationalmannschaften, Joti Chatzialexiou, grundsätzlich offen.
Nur wenige Nationalspielerinnen werden Trainerin
Der 42-Jährige hat die ersten Gespräche geführt und festgestellt: Eine Frau für diese Position zu finden, ist schwierig. Einen Weg wie die weiter als Kandidatin gehandelte Martina Voss-Tecklenburg, die aktuelle Nationaltrainerin der Schweiz und ehemalige deutsche Nationalstürmerin, haben nur wenige eingeschlagen. Die 50-Jährige hat sich über die Frauen-Bundesliga (FCR Duisburg, USV Jena) einen international exzellenten Ruf erarbeitet. Kim Kulig und Kerstin Garefrekes, die sich bei der zweiten Mannschaft des 1. FFC Frankfurt auf die (Trainer-)Spur begeben haben, sind eher eine Ausnahme.
Schon vor zwei Jahren gab der europäische Dachverband UEFA eine Studie heraus, die als Alarmsignal verstanden wurde, weil sie auf ein Missverhältnis der Geschlechter hinwies. Demnach werden zwei Drittel von mehr als 300 Frauen-Nationalmannschaften (A, U19, U17) in Europa von Männern trainiert. "Obwohl allgemein anerkannt ist, dass hinsichtlich der Förderung der Gleichstellung von Trainer Fortschritte erzielt wurden, werden an der Basis mehr Trainerinnen benötigt", hieß es.
29 Frauen haben überhaupt das Diplom erworben
Zahlreiche Qualifizierungsmaßnahmen sind angestoßen. Das Problem: Bis adäquate Kandidatinnen reif für die höchsten Aufgaben sind, braucht es Zeit. So hat auch der englische Fußballverband (FA) nach dem Rassismus-Skandal um Mark Sampson Anfang des Jahres wieder einen Mann installiert: Phil Neville, ehemaliger Verteidiger von Manchester United. Erfahrung im Frauenfußball hat der 41-Jährige, der zuvor als Co-Trainer beim FC Valencia arbeitete, wenig vorzuweisen.
Auch im deutschen Fußball wird weiblicher Nachschub für die Trainerposition eher spärlich und nur vereinzelt ausgebildet. Knapp 800 Männer haben bislang die höchste Trainer-Lizenz an der Hennes-Weisweiler-Akademie erworben. Aber nur 29 Frauen. Als jüngst in einem Festakt in Neu-Isenburg der 64. Fußballlehrer-Lehrgang seine nächsten Absolventen ausspuckte, standen 25 Männer mit roter Fliege und durchgedrücktem Kreuz auf der Bühne. Aber keine einzige Frau. Was vielleicht erklärt, warum nach der überfälligen Trennung von Bundestrainerin Steffi Jones plötzlich guter Rat teuer war. U20-Nationaltrainerin Maren Meinert winkte rasch ab. Immerhin konnte Ulrike Ballweg, langjährige Co-Trainerin von Silvia Neid überzeugt werden, Hrubesch als Assistentin zu helfen.
Auch Bundesliga-Teams setzen eher auf Männer
Ein Gegenbeispiel gibt der Europameister 2017 ab: In den Niederlanden durchlief die ehemalige Nationalspielerin Sarina Wiegmann den beschwerlichen Weg von der Basis bis zum Aushängeschild – und führte Topspielerinnen wie Vivienna Miedema oder Lieke Martens zum vielumjubelten Titel im eigenen Land. Gleichwohl: Von den 24 EM-Teilnehmern vertrauten nur fünf (Deutschland, Schweden, Russland, Schweiz und Schottland) einer Trainerin.
Auch in der Frauen-Bundesliga zeigt sich das Dilemma: Zehn der zwölf Trainerstellen sind mit Männern besetzt. Allein Aufsteiger Werder Bremen (Carmen Roth) und USV Jena (Katja Greulich) vertrauen Frauen. Zuvor gab Inka Grings, ehemalige Torjägerin und WM-Teilnehmerin 2011, eine prominente Vorzeigefigur. Die Querdenkerin führte den MSV Duisburg 2016 zurück in die Erstklassigkeit, aber vergangenen Sommer endete vor Vertragsablauf die Zusammenarbeit. Mittlerweile trainiert die 39-Jährige die männlichen B-Junioren von Viktoria Köln.