Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gibt vor dem Rennen in Montreal zu: „Wir sind im Moment nicht konkurrenzfähig.“ Und im Moment gäbe es auch keine Updates, die das auf die Schnelle ändern könnten. Es klingt, als hätte Ferrari die Saison 2019 bereits abgeschrieben.
Eigentlich sollte der Kanada-GP das Rennen sein, das für Ferrari noch die besten Chancen bietet: Weil hier vor allem Topspeed und Effizienz der Bremsen gefragt sind, nur wenige echte Kurven fünf Geraden gegenüberstehen, sich die Probleme des Autos vielleicht nicht so extrem auswirken, der hohe Topspeed der Roten sich wie in Bahrain etwas mehr auszahlen könnte. Aber Teamchef Mattia Binotto hielt schon im Vorfeld die Erwartungen niedrig: „Wir wissen, dass wir im Moment nicht konkurrenzfähig genug sind“, ließ er sogar in der offiziellen Pressemitteilung des Teams verkünden – dort, wo normalerweise immer Optimismus und auch ein wenig Schönreden der Situation an der Tagesordnung sind. Doch Binotto wurde deutlich – und setzte sogar noch einen drauf. Es werde auch in absehbarer Zukunft nicht besser werden: „Vorerst werden wir keine weiteren Änderungen am Auto vornehmen, die einen deutlichen Einfluss auf die Probleme haben werden, die wir seit Saisonstart festgestellt haben.“
Kein Grip, keine Reifentemperaturen, kein Kurvenspeed
Als da vor allem wären: Der fehlende Speed in den langsamen und mittelschnellen Kurven – als Folge von viel zu wenig Grip. Das kann an einem Aerodynamik-Problem liegen – aber auch an einem mechanischen im Bereich des Fahrwerks. Die Folge ist jedenfalls, dass sich Ferrari extrem schwer tut, die diesjährige Reifengeneration von Pirelli ins entsprechende Arbeitsfenster zu bringen. Der italienische Reifenhersteller hatte ja, vor allem auch auf Wunsch von Mercedes, wo man 2018 ja immer wieder einmal mit Überhitzungsproblemen der Gummis zu kämpfen hatte, die Reifenkonstruktion verändert. Jetzt liegt das optimale Arbeitsfenster um mehr als zehn Grad höher – und die Silbernen haben keine Probleme mehr, dafür aber die meisten anderen.
Die Aussagen der Roten klingen für mehr oder weniger geübte Formel-1-Ohren jedenfalls eindeutig danach, als habe man die eigentliche Ursache des Problems entweder überhaupt noch nicht endgültig identifiziert – oder aber feststellen müssen, dass sie mit kleineren Modifikationen nicht zu beheben ist, dass es dafür eigentlich eines komplett neuen Autos bedürfe, mit anderer Grundkonzeption. Bis das fertig wäre, wäre mit Sicherheit mehr als die erste Saisonhälfte vorbei – und Mercedes in der WM uneinholbar enteilt.
Entwicklungsarbeit schon für 2020
So scheint alles, was bei Ferrari derzeit an Entwicklungsarbeit passiert, eher schon auf 2020 ausgerichtet zu sein – um dann nicht die gleichen Fehler zu wiederholen und doch noch einmal den WM-Titel anpeilen zu können. Dazu passen auch die Aussagen von Sebastian Vettel, der jegliche Rücktrittsgerüchte zum Saisonende, die an einigen Stellen kolportiert wurden, dementiert: „Ich habe nicht vor aufzuhören. Die Formel 1 macht mir immer noch extrem viel Spaß, und ich habe bei Ferrari noch was zu erledigen.“
Man wolle in dieser Saison noch einmal alles versuchen, um die Wende herbeizuführen. „Unser Auto ist gut, aber wir sind immer noch dabei, es richtig kennenzulernen. Besonders das optimale Zusammenspiel mit den Reifen zu finden, ist in dieser Saison schwieriger geworden. Das haben die anderen bisher besser hinbekommen. Aber wir lernen jeden Tag dazu. Dieses Wissen nutzt uns auch zum Bau des Autos für nächste Saison.“
Können neue Leute helfen?
Von massiven Änderungen innerhalb des Teams will Binotto dabei nichts wissen. Er steht zu seinen jungen Ingenieuren: „Jeder sitzt auf dem richtigen Platz – und hat ihn auch verdient.“ Allerdings hält er den ein oder anderen Neuzugang durchaus für sinnvoll: Von Red Bull hat man gerade den Simulationsspezialisten Marco Adurno abgeworben. Und die Rückkehr von Simone Resta, der 2018 Ferrari verließ, um technischer Direktor beim Schwesterteam Alfa Romeo zu werden, ist zumindest angedacht: „Als Team versuchen wir uns natürlich immer zu verbessern, indem wir Schwächen ausmachen. Simone war in der Vergangenheit Teil des Ferrari-Teams, und er verfügt über viel Erfahrung. Wir prüfen nun, ob wir Simone wieder zu Ferrari zurückholen wollen.“