Weil Ferrari zuletzt drei Rennen voller Pleiten, Pech und Pannen erlebte, kann Lewis Hamilton schon an diesem Wochenende in Austin zum vierten Mal Weltmeister werden. Aber was sind die Gründe der plötzlichen Misere und die Konsequenzen beim Vettel-Team?
Ausgerechnet von der Konkurrenz, von Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda, kommt der Ratschlag: "Ferrari muss sich selbst an die Nase packen, wo die kleinen Fehler herkommen.“
Panik und Hektik in Rot
Lauda weiß, wovon er spricht – aus eigener Erfahrung. Denn dass bei Ferrari gerade in schwierigen Situationen, unter extremem Erfolgsdruck, die Tendenz herrscht in Panik und Hektik zu verfallen, ist nichts Neues. Er selbst nannte das in seinen aktiven Zeiten bei den Italienern in den 70er-Jahren das "typisch italienische Grande Casino".
War es damals noch der große Enzo Ferrari selbst, der für den gewaltigen Druck sorgte, ist es heute der Oberboss, FIAT- und Ferrari-Chef Sergio Marchionne. Und Teamchef Maurizio Arrivabene gibt den Druck von oben auch nur hektisch-unkoordiniert nach unten weiter, anstatt ordnend und beruhigend auf seine Truppe einzuwirken. Der Stress, unter dem die einzelnen Mitarbeiter, vom Ingenieur bis zum Mechaniker, stehen, ist oft unübersehbar.
Wenn der Boss ausflippt
Ferrari-Insider wissen: Bei vielen ist die Angst um den Arbeitsplatz im Falle eines Fehlers ein ständiger Begleiter.
Vielsagend jedenfalls, dass die Serie der technischen Pleiten bei der Scuderia genau in dem Moment begann, als das Team zum ersten Mal in diesem Jahr wirklich unter Druck geriet: Nach dem schlechten Heimrennen in Monza, als Marchionne erstmals in dieser Saison öffentlich ausflippte, von Versagen sprach. Dem folgte der unglückliche Startcrash von Singapur, wo das Team sich vielleicht auch ankreiden muss, dass es vor dem Start keine eindeutigen Absprachen zwischen Vettel und Räikkönen gab.
Vettel stellt sich vor das Team
Wer die Ferrari-Mannschaft zuletzt in einigen kritischen Situationen beobachtete konnte schon da Unterschiede bemerken, wie gewisse Dinge in ähnlicher Lage bei Mercedes ablaufen: Dort würde sich ein Teamchef Toto Wolff zum Beispiel nie während eines unter extremem Zeitdruck nötigen Motorwechsels in der Box mitten zwischen die Mechaniker stellen, dazwischen reden und sichtbar im Weg stehen – so gesehen von Arrivabene in Malaysia.
Die Frage ist, wie es jetzt weiter geht. Sebastian Vettel stellte sich ja nach seinem Ausfall in Japan sofort vor das Team, nahm seine Mannschaft in Schutz. Vor allem wohl, um ein völliges "Auseinanderfallen" der Mannschaft in den letzten vier Rennen zu verhindern.
Zündkerze legt Ferrari lahm
Und ausnahmsweise reagierte Marchionne diesmal halbwegs besonnen. Kein allzu großes Durcheinander in Sachen "Umstrukturierungen und personelle Veränderungen", wie zwischenzeitlich von ihm angedroht, sondern vielmehr die Verpflichtung einer Spezialistin für Qualitätskontrolle: Die Spanierin Maria Mendoza, zuletzt als "Head of the Supplier Quality Team" mit einem 25-köpfigen Team für die Qualitätskontrolle von Zuliefererteilen bei FIAT Chrysler zuständig, soll in Zukunft Pannen wie in Malaysia und Japan verhindern.
Da waren es ja prinzipiell Zulieferteile, zweimal ein Karbonschlauch, einmal eine Zündkerze, die Ferrari lahmlegten. Außerdem verdichten sich die Gerüchte, dass Teamchef Maurizio Arrivabene wohl spätestens nach Ende der Saison abgelöst werden soll. Wobei sich die Frage stellt: Wer kommt dann?
Auf der Suche nach einem Teamchef
Ferraris bester Mann im Moment ist wahrscheinlich der eher unitalienisch ruhige Mattia Binotto. Doch der ist als neuer Technikchef eigentlich ausgelastet. Sollte er jetzt auch noch Management-Aufgaben übernehmen, könnte sein Hauptaufgabengebiet darunter leiden.
Von außen betrachtet scheint auch niemand willens und prädestiniert, diese heikle Aufgabe übernehmen zu wollen. Und Stefano Domenicali, bis April 2014 Ferrari-Teamchef und sicher einer der besten in dieser Funktion, ist inzwischen Lamborghini-Chef und lässt sich sicher nicht zurück holen.