Vor dem Spiel Borussia Dortmund gegen Werder Bremen steht die Rückkehr von Nuri Sahin im Fokus. Dessen Rolle hat sich in Bremen geändert. Sein Einsatz in der Startelf ist ungewiss, dafür ist er als Ansprechpartner der jungen Spieler unverzichtbar.
Als Thomas Delaney vor zwei Jahren zu Werder Bremen kam, antwortete er fast nur auf englisch, heute im Dienst von Borussia Dortmund schafft er es mit zwei gut gesetzten deutschen Formulierungen, die Unterschiede zwischen beiden Klubs auf den Punkt zu bringen. Der BVB sei "größer als alles, was ich bisher erlebt habe", sagt er, während er Werder als "sehr schönen Verein" bezeichnet.
Werders Imagekorrektur
Es ist zweifelhaft, ob die Werderaner dies als Kompliment annehmen, denn vom Image des netten, sympathischen Klubs, vor dem niemand allzu große Angst haben muss, wollen sie weg.
Deshalb haben die Verantwortlichen einen Europa-League-Platz als Saisonziel ausgegeben und die gut 20 Millionen Euro, die der BVB ihnen für Delaney überwiesen hat, in eine Handvoll überdurchschnittlich veranlagte Spieler reinvestiert. Nach Davy Klaassen, Yuya Osako, Martin Harnik und Claudio Pizarro kam auch noch Nuri Sahin, dessen Einsatzchancen im gut bestückten Dortmunder Mittelfeld durch die Delaney-Verpflichtung noch weiter gesunken waren. Sahins Rückkehr werden die BVB-Fans in der Südtribüne gebührend feiern.
Konkurrenzdruck aus dem Leistungszentrum
Dabei ist völlig unklar, ob der Rückkehrer überhaupt zur Startelf gehören wird. Trainer Florian Kohfeldt sagte am Donnerstag zwar, Sahin könne sich dafür "natürlich Hoffnung machen", aber bislang ist der 30-Jährige bei Werder mit sieben Startelf-Einsätzen in vierzehn Spielen eher Teilzeit- als Stammkraft.
Mit dieser Einsatzquote ist Sahin noch besser dran als die Offensivkräfte Harnik und Pizarro, die zuletzt hauptsächlich als Joker zum Einsatz kamen. Kohfeldt hat in dieser Saison Variationsmöglichkeiten in seinem Kader, wie es sie bei Werder lange nicht mehr gegeben hat. Das liegt neben dem Zugang erfahrener Kräfte auch daran, dass der behutsame Aufbau der Talente im Nachwuchszentrum Früchte trägt.
Nachdem Maximilian Eggestein schon länger nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken ist, hat in dieser Saison auch sein jüngerer Bruder Johannes den Sprung in die Bundesliga geschafft. Und am letzten Wochenende kam gegen Fortuna Düsseldorf noch der Traumeinstand des 18-jährigen US-Amerikaners Josh Sargent dazu, der mit seiner ersten Ballberührung in der Bundesliga gleich ein Tor erzielte.
Neue Fragen nach Leistungstief
Der erfolgreiche Saisonstart, der Werder zwischenzeitlich auf Platz zwei der Tabelle führte, wurde dann auch vielfach mit dem neu entfachten Konkurrenzkampf im Kader begründet, der jeden an seine Leistungsgrenze führe.
Nach der Serie von fünf sieglosen Spielen, die erst durch den Sieg gegen Düsseldorf gestoppt wurde, wurde allerdings die Frage lauter, wie lange sich die alten Haudegen Sahin, Harnik und Pizarro mit ihrer Rolle abfinden. Wohl auch deshalb betont Trainer Kohfeldt immer wieder die Rolle, die die arrivierten Kräfte als Führungsspieler in der Kabine spielen. "Neben dem Platz hat Nuri die Erwartungen zu Tausend Prozent erfüllt", sagt Kohfeldt und verrät, dass man mit ihm Gespräche führen kann, die weit über ein normales Trainer-Spieler Gespräch hinausgehen."
Unvermeidlicher Rollenkonflikt
Im Zusammenwirken von alten und jungen Spielern scheint Werder im Moment neue Akzente zu setzen. Schon die Verpflichtung von Claudio Pizarro wurde auch damit begründet, dass er Mentor für die Sturmtalente wie Eggestein und Sargent sein könne.
Neben der Erfüllung dieser Stellenbeschreibung spielt Pizarro auf dem Platz eine bedeutendere Rolle als anfangs erwartet. Nuri Sahin geht nun den entgegengesetzten Weg. Er bekommt weniger Spielzeit als erwartet, nimmt von außen aber großen Einfluss auf das Team und gibt den jungen Mittelfeldspielern wichtige Ratschläge. Zwischen den Rollen als Mentor und Konkurrent der jungen Spieler besteht allerdings ein unvermeidlicher Rollenkonflikt. Jeder Leistungssportler will in erster Linie für seine sportliche Leistung anerkannt werden will und nicht für seine Sozialkompetenz.
Konfliktmanager Kohfeldt
Es ist eine von Kohfeldts Stärken, dass er diesen Konflikt bislang so handhabt, dass er nicht zum Ausbruch gelangt. Vielleicht motiviert er Sahin ja sogar dazu, an alter Wirkungsstätte zu beweisen, dass er eine wichtige Rolle dabei spielt, Werder vom "schönen Verein" zur alten Größe zurückzubringen.
Für den Kampf dahin zurück führt Werders Vorstand parallel einen anderen Kampf. Das neben dem Stadion in einem Überflutungsgebiet liegende Leistungszentrum erfüllt baulich nicht mehr die Voraussetzungen, um in der Bundesliga konkurrenzfähig zu bleiben. Die vorliegenden Erweiterungspläne berühren allerdings sowohl Hochwasserschutz- als auch Anwohnerinteressen. Für den Fall, dass der Ausbau nicht genehmigt wird, hat Werder die Abwanderung des gesamten Trainingsbetriebes von den Profis zu den Kindern ins Umland in Aussicht gestellt.