Manuel Neuers Vertreter Sven Ulreich steht stellvertretend für den Aufschwung der Nothelfer beim FC Bayern unter dem Nothelfer Heynckes. Die neue Stabilität des Torwarts dürfte auch in den kommenden Bewährungsproben gefragt sein.
Spiele mit Finalcharakter galten bisher eher nicht als Spezialität des Torwarts Sven Ulreich. Vermutlich auch deshalb, weil er selten die Gelegenheit bekommen hatte, sich in diesen zu beweisen. Bei seinem früheren Arbeitgeber VfB Stuttgart durfte er genau genommen nur ein Spiel absolvieren, das nicht nur den Charakter eines Finales aufwies, sondern sogar ein solches darstellte. Im Endspiel um den DFB-Pokal 2013 war das, doch nach der 2:3-Niederlage blieb wenig Raum, um Ulreichs gute Leistung trotz der drei Gegentore zu würdigen. Das Spiel hatte ja vor allem Triple-Charakter. Es komplettierte die erfolgreichste Saison des FC Bayern in der Vereinsgeschichte und geriet zugleich zum krönenden Ausstand für den damaligen Münchner Trainer Jupp Heynckes.
Kein Torwart-Problem
Inzwischen ist Heynckes nicht nur aus dem Ruhestand zum FC Bayern zurückgekehrt, der 72-Jährige leitet nun auch einen Torwart an, der seit Mittwochabend beinahe schon als Spezialist für Spiele mit Finalcharakter gelten darf. Im Pokalkrimi bei RB Leipzig hielt Ulreich zunächst sicher und schließlich auch gegen seinen früheren Stuttgarter Kollegen Timo Werner jenen Elfmeter, der über den Erhalt der Triple-Chance für den FC Bayern und Heynckes entschied. 5:4 setzten sich die Münchner im Elfmeterschießen durch, und deren eigentliche Nummer eins, der verletzte Manuel Neuer, erhob seinen Vertreter schon prophetisch in den Ehrenstand seiner Zunft. „Elfmeterkiller – Titelbringer! Nach dem Supercup in Dortmund nun im Pokal in Leipzig“, gratulierte Neuer auf Facebook.
Einen Titel haben die Münchner in Leipzig zwar nicht gewonnen, aber zumindest haben sie auch keinen verpasst. Vor allem aber dürfen sie vor Leipzigs Gegenbesuch in München zum Ligatopspiel an diesem Samstag auch erst einmal jenes Thema zu den Akten legen, das nach Neuers erneutem Mittelfußbruch und Ausfall bis mindestens zur Winterpause zu einem echten Problem anzuschwellen schien. Ulreich, 29, wurde gegen den VfL Wolfsburg und Paris Saint-Germain ja rasch mit Fehlern sowie unglücklichen Aktionen auffällig und erhielt vom TV-Experten Lothar Matthäus sogar die Ferndiagnose, er habe Sehprobleme. „Das ist dummes Geschwätz“, entgegnete Ulreich damals. Und siehe da: Inzwischen darf die vorläufige Ferndiagnose angestellt werden, dass der FC Bayern doch kein Torwartproblem hat. „Ich freue mich extrem für Sven“, sagte Joshua Kimmich, noch ein ehemaliger Stuttgarter, nun in Leipzig wegen der Vorgeschichte mit Wolfsburg und Paris.
Zwischen Held und Depp
Seit Nothelfer Heynckes die Nachfolge von Carlo Ancelotti angetreten hat, hat auch der Nothelfer Ulreich zu neuer Stabilität gefunden und kommt seinem Spitznamen „Zunullreich“ ziemlich nahe. In allen vier Spielen unter Heynckes blieb Ulreich ohne Gegentor aus dem Spiel heraus. „Jupp hat ihm ein Stück Selbstvertrauen gegeben, das zahlt er jetzt zurück“, befand der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, nachdem Heynckes seinen Torwart öffentlich und intern immer wieder gestärkt hatte. Nach dem parierten Elfmeter gegen Werner bestürmten ihn die Kollegen als Heroen des Pokalfights. „Manchmal ist man der gefeierte Held, manchmal ist man der Depp. Ich kenne das Gefühl auch“, sagte Ulreich danach mit Blick auf seinen ehemaligen Kollegen und auf seine eigene jüngere Vergangenheit.
Ein bisschen steht Ulreich gerade stellvertretend für den Aufschwung aller Nothelfer beim FC Bayern unter dem Nothelfer Heynckes. Auch Kingsley Coman, der den verletzten Franck Ribéry auf dem linken Flügel vertritt, fiel zuletzt positiv auf. Ebenso Thiago Alcántara, der in Leipzig Thomas Müllers offensive Mittelfeldrolle nach dessen Muskelblessur übernahm und das zwischenzeitliche 1:1 erzielte. Doch vor allem Ulreichs neue Stabilität dürfte gefragt sein in den kommenden Aufgaben. Nach dem Spiel gegen Leipzig stehen die Dienstreisen in der Champions League zu Celtic Glasgow und in der Liga zu Borussia Dortmund an. Beim BVB hatte Ulreich im August erstmals auf sich aufmerksam gemacht. Beim 5:4-Sieg im Elfmeterschießen des Supercups parierte er zunächst gegen Sebastian Rode und schließlich gegen Marc Bartra den letzten, entscheidenden Versuch. Wie nun gegen Werner, im nächsten Spiel mit Finalcharakter.