Nach aktueller Lage steht das Wirken von Peter Bosz in Leverkusen unter einem besseren Stern als seine einstige Kurzarbeit in Dortmund. Mit der Werkself tritt der 55-jährige Niederländer nun zum West-Gipfel bei seinem Ex-Klub an.
Wenn Peter Bosz über seine Vorstellungen von Fußball und über taktische Überlegungen spricht – und das macht Leverkusens Cheftrainer mit großer Leidenschaft – spielt der Begriff ‚Aufmerksamkeit‘ meist eine zentrale Rolle. Spieler, die er unter seine Fittiche nimmt, müssen hellwach sein. Sind sie es nicht, gerät der Offensivstil des früheren Mittelfeldspielers schnell ins Wanken. Was bei Bosz‘ nur sechsmonatiger Tätigkeit in Dortmund ein Teil des Problems war.
Scheunentor schließt sich
Mit der Werkself kehrt der 55-Jährige am Samstag an seine alte Wirkungsstätte zurück, im Gepäck die wohltuende Startbilanz von sieben Punkten aus den ersten drei Partien. Das jüngste 0:0 gegen Hoffenheim bezeichnete Bayers Coach trotz der ersten abgegebenen Zähler als „das beste Spiel, das ich in dieser Saison von meiner Mannschaft gesehen habe“. Und Kapitän Lars Bender bekräftigte: „Wir haben endlich mal kein Gegentor kassiert. Das ist positiv.“
Der Trend weg vom rheinischen Scheunentor war schon in der letzten Rückrunde, Bosz‘ erster Halbserie unter dem Bayer-Kreuz, zu erkennen gewesen. Als der Niederländer den Job von Heiko Herrlich übernahm, hatte Leverkusen die Hinrunde mit 26:29 Toren und 24 Punkten auf Platz neun abgeschlossen. Nach der Winterpause kletterte das Team bis auf Champions-League-Rang vier – mit einer Bilanz von 43:23 Toren und 34 Punkten.
Konzentrierter Wendell
Das Bayer-Ensemble war unter Bosz also nicht nur deutlich treffsicherer, es kassierte auch weniger Gegentore. „Mein Weg ist der Offensivfußball mit einer kompakten Defensive“, erklärte Leverkusens Bessermacher vor Kurzem im Gespräch mit der „Deutschen Welle“. Und damit dieses anspruchsvolle System nicht ins Stottern, sondern ans Laufen kommt, muss er sein Rasenpersonal vor allem Aufmerksamkeit lehren.
Ein aktuell besonders auffälliges Beispiel dafür ist Linksverteidiger Wendell. Der 26-jährige Brasilianer, mittlerweile seit fünf Jahren bei Bayer unter Vertrag und mit einem großen Talent gesegnet, war oft etwas anfällig für die eine oder andere Nachlässigkeit in seinem Spiel. „Wenn er konzentriert ist, dann hat er Qualität“, weiß Bosz jedoch – und ergriff entsprechende Maßnahmen.
Gezielte Feilarbeiten
Er trichterte Wendell nicht nur ein erhöhtes Aufmerksamkeitslevel ein, sondern holte ihn zudem in den Mannschaftsrat – um ihm mehr Verantwortung zu übertragen. Auch dadurch wird das Deutsch des Südamerikaners immer besser, davon profitiert momentan insbesondere Moussa Diaby, der Neuzugang von Paris Saint-Germain, um den sich Wendell intensiv kümmert.
Zu Bosz‘ gezielten Feilarbeiten zählt außerdem, Super-Talent Kai Havertz verstärkte Defensivarbeit verordnet zu haben. Oder nach dem Abgang von Nationalspieler Julian Brandt zum BVB die speziellen Anlagen des aus Hoffenheim geholten Kerem Demirbay, Havertz‘ neuem Partner im zentralen Mittelfeld, zum Tragen zu bringen.
Klar, positiv, menschenfreundlich
Hinzu kommt die seelische Fürsorge für seine Spieler. Jonathan Tah etwa verteidigte Bosz gerade gegen die harsche Kritik, die nach dem 2:4 gegen die Niederlande auf den Innenverteidiger einprasselte. „Er hat scheiße gespielt, das stimmt. Aber er war nicht der einzige – da waren noch zehn andere“, retournierte der Mann, den sie in Leverkusen für seine klare und zugleich menschenfreundliche Art schätzen.
„Der Trainer“, erwähnt der offensive Abwehrmann Wendell stellvertretend, „ist immer positiv, spricht uns das Vertrauen aus und sagt, dass Fehler passieren können. Für mich ist er unglaublich wichtig.“ Und umgekehrt ist der Brasilianer für Peter Bosz ein hervorragender Grund, immer mal wieder über die Wichtigkeit von Aufmerksamkeit und Konzentration im Fußball zu philosophieren.