Er ist ein "Menschenfreund". Clemens Tönnies ist zurück. Nach dreimonatiger Auszeit, die er sich wegen einer rassistischen Aussage in der Öffentlichkeit selbst auferlegte, ist der Unternehmer an die Spitze des FC Schalke zurückgekehrt. Ein Situationsbericht.
Das Prädikät "Menschenfreund" hat sich der 63-Jährige dieser Tage ebenfalls selbst erteilt. In einem Interview mit dem vereinseigenen Sender Schalke-TV gab sich Tönnies nicht nur in neuem Look mit modischem Bart, sondern auch geläutert. Es war der 1. August als der Fleischfabrikant aus dem westfälischen Rheda-Wiedenbrück beim Tag des Handwerks in Paderborn mit einer Bemerkung über im Dunkeln Kinder produzierende Afrikaner eine Welle der Empörung auslöste.
Diskriminierend, aber kein Rassist
Der Beifall der geladenen Gäste über diese vermutlich als billiger Schenkelklopfer gemeinten Spruch war kaum verklungen, da raste ein verheerender Shitstorm über den S04-Boss. Nicht nur schwarze Ex-S04-Spieler wie die Schalker Legende Gerald Asamoah oder TV-Star Hans Sarpei äußerten sich entsetzt. Tönnies ruderte schnell zurück, entschuldigte sich halbherzig und einigte sich mit der so genannten Ethikkommission der Gelsenkirchener, dem Schalker Ehrenrat, auf eine dreimonatige Katharsis. Das ziemlich widersprüchliche Urteil, das auch die Ethikkommission des DFB so abnickte: Tönnies sei kein Rassist, seine Worte dennoch diskriminierend.
"Mir geht es um Afrika"
Nun ist er zurück - und auf Schalke möchten die meisten gerne so tun, als sei nichts gewesen. "Wenn sich jemand verletzt gefühlt hat, dann bitte ich ihn aufrichtig um Entschuldigung", sagt Tönnies in dem zwölf Minuten langen Video mit dem Klub-TV. Seine Worte vom 1. August seien doch ganz anders gemeint gewesen. "Mir geht es um Afrika. Ich sehe uns alle in Europa in der Pflicht, etwas für Afrika zu tun. Und das habe ich damit gemeint", betont Tönnies.
Dessen seit Donnerstag amtliche Rückkehr als Aufsichtsratsvorsitzender wird auf Schalker Führungsebene – wenig überraschend - mehrheitlich begrüßt. "Mich hat es vom ersten Moment an beeindruckt, wie sehr sich ein erfolgreicher und vielbeschäftigter Unternehmer für seinen Klub einbringt und wie positiv er Schalke 04 lebt", wird zum Beispiel Sportvorstand Jochen Schneider in einer Mitteilung des Vereins zitiert. Und Finanzvorstand Peter Peters, seit 25 Jahren mit Tönnies an der Spitze der Königsblauen eng verbandelt, unterstreicht in einem Interview mit der Funke Mediengruppe: "Es gibt nicht lebenslang, das gehört zu einem Miteinander dazu."
Einer der wenigen, die nicht zur Tagesordnung übergehen wollen, ist David Wagner. Der Schalker Trainer verrät zwar, dass er sich "sehr freue, dass seine (Tönnies, der Autor) Sperre jetzt abgelaufen ist. Er hat seine Strafe bekommen." Der Deutsch-US-Amerikaner mit thailändischem Vater und deutscher Mutter mahnt aber im gleichen Atemzug: "Ich bleibe dabei: Es ist eine Geschichte, die nicht hätte passieren dürfen, die nicht in Ordnung war. Ich bleibe auch dabei, dass das nichts ist, was wir vergessen dürfen. Das sage ich ganz klar, weil das einfach zu schwerwiegend ist."
Heimspiel ohne Tönnies
Wie in den vergangenen drei Monaten, wird Tönnies auch dem Schalker Heimspiel am Samstag gegen Fortuna Düsseldorf der Gelsenkirchener Arena fern bleiben. Dies allerdings nicht aus Sorge vor Protesten der kritischen unter den S04-Fans, sondern weil er wegen einer beruflichen Verpflichtung im Ausland weilt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die organisierten Schalker Fangruppen von den "Ultras GE", der "Schalker Faninitiative" und dem "Supportersclub" ihre Meinung gegenüber Tönnies und den wachsweichen Umgang des Vereins mit ihm mit Bannern im Stadion kundtun werden. Die Schalker Fan-Ini teilt auf ihrer Facebook-Seite dazu mit, dass sie jegliche Interviewanfragen zur Tönnies-Rückkehr abgelehnt habe und ob die "Inszenierung in einem Format, wo keine kritischen Fragen zu erwarten sind (damit ist Schalke-TV gemeint, der Autor), nicht hinreichend für sich selbst" spreche.
"Ich weiß, dass es viele gibt, die sich darüber freuen werden, wenn ich wiederkomme, die mir - gar nicht unkritisch - zur Seite gestanden haben, die mir aber auch gesagt haben: ,Aber du musst jetzt weitermachen‘. Ich glaube, dass das eine große Anzahl ist, der überwiegende Teil derer, die im Stadion sind", kontert Tönnies nach dem Motto "Schwamm drüber".
Während seiner dreimonatigen Auszeit auf Schalke ist er Opa geworden, darüber könne man ja auch mal reden ...