Der niederländische Rekordmeister Ajax Amsterdam setzte in den vergangenen Jahren auf junge Talente – und scheiterte an eigener Unerfahrenheit. Vor der Saison gab der Klub richtig Geld aus. Und darf dank des neuen Stars Dusan Tadic nun gegen Juventus Turin im Viertelfinale der Champions League ran.
Es waren gut 17 Minuten gespielt im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zwischen Real Madrid und Ajax Amsterdam, als sich ein 30-jähriger Serbe in die Albträume der Fans des spanischen Titelverteidigers einnistete.
Dusan Tadic, bis dahin eher Fußball-Experten als der breiten Öffentlichkeit bekannt, ließ Reals Star-Verteidiger Casemiro mit einer 360-Grad-Drehung alt aussehen und spielte dann einen traumhaften Pass, der zum 2:0 des niederländischen Spitzenklubs führte.
Alle schwärmen wieder von Ajax
Der Rest ist bekannt: Ajax siegte 4:1 bei den zertrümmerten "Galácticos"; Tadic erhielt von der Fachzeitschrift France Football als erst achter Spieler seit 1946 die Bestnote 10. Und deshalb darf sich Ajax am Mittwochabend mit dem nächsten Spitzenteam messen: Juventus Turin mit Cristiano Ronaldo.
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Plötzlich schwärmen wieder alle von Ajax. Von Mittelfeld-Regisseur Frenkie de Jong, der gerade einmal 21 Jahre alt ist und im Sommer für 75 Millionen zum FC Barcelona wechseln wird. Oder Matthijs de Ligt, Innenverteidiger, Kapitän – und das mit 19 Jahren. Das neue Ajax ist wieder mit einer Menge Talent gesegnet.
Talente ja, Erfolge nein
Doch das waren frühere Ajax-Teams auch schon. Der aktuelle Erfolg ist aber das Resultat eines Umdenkens der Vereinsspitze. Marc Overmars, einst Weltklasse-Flügelflitzer und heute technischer Direktor, spielt hier eine Hauptrolle. Jahrelang warf man Overmars vor, auf dem Geld zu sitzen. Saison für Saison verkaufte Ajax seine besten Spieler für gutes Geld – investierte jedoch kaum in neue. So hat Ajax, die Bayern als großes Vorbild, ein mit einem dreistelligen Millionenbetrag prall gefülltes Festgeldkonto.
Nur die Erfolge, die blieben aus. International flog Ajax in der Champions League, sofern man sich qualifizierte, meist in der Vorrunde raus. Und in der Eredivisie hängt PSV die Amsterdamer immer mehr ab. Der letzte Meistertitel datiert aus der Saison 13/14 – für verwöhnte Ajacieden eine Ewigkeit her.
Ajax findet die richtige Mischung
Overmars und Vereinsboss Edwin van der Sar merkten, dass einzig mit Talent auch keine Titel zu holen sind. Also wurde nach und nach der Geldbeutel aufgemacht. Daley Blind holte man für 16 Millionen Euro von Manchester United zurück. Für Tadic, bis dahin mit einer überschaubaren Europa-Karriere, blätterte Ajax knapp zwölf Millionen hin. Das besondere an diesen Spielern: Sie sind 29 und 30 Jahre alt, der Wiederverkaufswert dürfte somit gering sein.
Doch mit diesen beiden, gepaart mit den Mega-Talenten de Jong , de Ligt, Donny van de Beek und David Neres, mit Hakim Ziyech (26), dem wohl besten Techniker der Eredivisie, sowie Alt-Star Lasse Schöne (32), hatte Ajax endlich die richtige Mischung beisammen.
Zurück an der nationalen Spitze
Eine Mischung aus Erfahrung und unglaublichem Talent. Ajax stirbt nicht mehr in Unerfahrenheit, sondern schafft es dank kluger Arbeit von Trainer Erik ten Hag (der trainierte auch schon mal die Bayern-Amateure) tatsächlich plötzlich, Schönheit mit Effektivität zu verknüpfen. Und mit Erfolg: In der Liga übernahm Ajax am Wochenende die Tabellenspitze.
Gerade Dusan Tadic ist ein Paradebeispiel für den neuen Ajax-Kurs. Noch vor zwei, drei Jahren hätte der Klub niemals so viel Geld für einen international bis dato durchschnittlichen 30-Jährigen bezahlt. Doch die sportliche Leitung sah in Tadic, was er nun Woche für Woche unter Beweis stellt: Eine überragende Technik, gepaart mit dem perfekten Auge – und dazu die Ruhe eines "erwachsenen" Profis. Plötzlich trifft er auch. Allein in dieser Saison erzielte der Serbe, der von Southampton zu Ajax kam, sechs Tore in der Königsklasse.
Wieder droht der Aderlass
Doch schon in den goldenen neunziger Jahren, als Ajax seinen letzten Champions-League-Titel holte, brach das Team in der Folge auseinander. Europas Spitzenteams kauften die besten Spieler weg. Auch nach dieser Spielzeit droht ein Aderlass.
Neben de Jong soll auch de Ligt für viel Geld nach Barcelona wechseln. Und junge Spieler wie Torhüter André Onana und Neres stehen im Fokus vieler Vereine. Tadic will das verhindern. Denn er ist von Ajax überzeugt. "Ich werde zu hundert Prozent bleiben", sagt er. "Und ich werde versuchen, auch die übrigens Jungs dazu zu überreden." Ein Erfolg gegen Juventus Turin würde dabei sicherlich helfen.