Beim Meister hat sich Thomas Müller vorerst wieder zum zentralen Bestandteil der Startelf entwickelt. Die Frage allerdings bleibt, ob seine Rolle erhalten bleibt, wenn die verletzten James Rodríguez und Thiago Alcántara zurückkehren.
Arturo Vidal hielt die rechte Hand wie eine Maske vor sein Kriegergesicht. Robert Lewandowski zeigte sich in Denkerpose. Und mittendrin in diesem stilisierten Jubel stützte sich Thomas Müller auf sein rechtes Knie und deutete mit seinen Zeigefingern diagonal nach oben, wie man das oft vom Sprinter Usain Bolt gesehen hat. Um Müllers linken Oberarm war die Kapitänsbinde gewickelt.
Auf dem Foto, das aussah wie ein kleines Kunstwerk, entstanden nach dem Gewinn des Supercups bei Borussia Dortmund, inszenierten sich die Spieler des FC Bayern, wie sie sich am liebsten sehen. Und das Besondere war, dass Müller auf dem Foto als zentraler Bestandteil auftrat.
Zentraler Bestandteil
An diesem Freitag eröffnet der FC Bayern die Bundesligasaison gegen Bayer Leverkusen (live im ZDF). Thomas Müller wird die Binde des verletzt fehlenden Manuel Neuer übernehmen, dem neuen hauptamtlichen Kapitän. Und so wird Müller wieder mittendrin sein im Gefüge der Münchner, als Spieler in der Offensivzentrale des Mittelfelds. Gewissermaßen wird das Publikum schon mit der Bekanntgabe der Aufstellung die erste Überraschung der Saison erleben, bevor diese überhaupt mit dem ersten Ballkontakt eröffnet wird.
Für Müller, das war nach seiner verkorksten Phase seit der EM 2016 die Annahme, dürfte es durch die Zugänge James Rodríguez und Corentin Tolisso noch schwieriger werden, wieder zum unverzichtbaren Bestandteil aufzusteigen. Nun darf sich der letzte Oberbayer der Bayern als Gewinner fühlen. Nicht wegen der Verletzungen von James Rodríguez und seines weiteren Konkurrenten Thiago Alcántara. Sondern weil er sich überzeugend zurückgespielt hat in die Startelf.
Zweifel waren einmal
Es müllert vorerst wieder beim FC Bayern. Müller, sagt Karl-Heinz Rummenigge nun, habe „eine sehr wichtige Rolle“ inne. Kurz nachdem Carlo Ancelottis Wunschspieler James Rodríguez von Real Madrid verpflichtet worden war, klang das noch anders. „Thomas als auch wir sind uns in der Bewertung der letzten Saison einig: Es war keine gute“, hatte der Vorstandsvorsitzende gesagt, „Thomas weiß auch, dass er da ein Stück mehr bringen muss.“
Bisher klappt das, und Trainer Ancelotti lässt derzeit keinen Zweifel, auf Müller zu setzen. Der Weltmeister dankt es mit stabilen und sehr engagierten Leistungen. Nebenbei fällt er wieder vermehrt mit lockeren Sprüchen auf. Nach nur neun Toren in allen Wettbewerben der Vorsaison waren ihm diese zunehmend vergangen.
Zentrumsspieler James
Die Frage allerdings bleibt, ob seine Rolle Bestand haben wird, wenn die verletzten James Rodríguez und Thiago Alcántara zurückkehren. Der alte Grundsatz des ehemaligen Bayern-Trainers Louis van Gaal („Müller spielt immer“) galt schon unter Pep Guardiola nicht mehr. Unter Ancelotti fand sich der 27-Jährige in den wichtigen Spielen regelmäßig auf der Bank wieder.
Müller hat in der Vorbereitung keinen Zweifel gelassen, dass er diese unbefriedigende Situation trotz der nun noch größeren Konkurrenz ändern will. Und er gab sich mit Blick auf James Rodríguez betont gelassen. „Natürlich ist er ein Spieler, der auch im Zentrum spielt“, sagte Müller, „der Trainer kann sich glücklich schätzen, aus so viel Qualität auswählen zu können.“ Die Botschaft: Kein Problem, ich fühle mich der Herausforderung gewachsen. Bisher belegt er dies auf dem Platz.
Zurzeit ohne Konkurrenz
Das könnte auch damit zu tun haben, dass James Rodríguez noch nicht den Eindruck hinterlassen hat, eine nachhaltige Verstärkung für die Münchner zu sein. Vorerst fällt der Kolumbianer ohnehin mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel aus, ebenso wie Thiago Alcántara mit einer Bauchmuskelblessur. Wohl erst im September ist mit ihnen zu rechnen. Bis dahin hat Müller einen Vorsprung - und Ancelotti nicht die Qual der Wahl.
„Wir haben James nicht verpflichtet, um Thomas Müller zu ersetzen“, ließ der 58 Jahre alte Italiener vorsorglich wissen, „James hat keine Garantie von mir. Wenn er es nicht verdient zu spielen, wird er nicht spielen.“ Vorerst hat es Müller verdient zu spielen, auf Sicht allerdings auch keine Garantie. Müller weiß das natürlich, aber mittlerweile kann er damit wieder lockerer umgehen. Auf einer Pressekonferenz saß er neben Ancelotti, deutete auf den Trainer und scherzte: „Hier sitzt der Boss. Er entscheidet.“ Müller lächelte selbstbewusst.