Deutschland hat den Zuschlag für die Bob- und Skeleton-WM 2017 erhalten. Sechs Tage zuvor waren die Titelkämpfe dem geplanten Austragungsort Sotschi aufgrund des russischen Doping-Skandals entzogen worden.
Die Eisbahn am Fuße des Watzmanns ist damit zum fünften Mal (1979, 1986, 2004, 2011) Schauplatz der Bob-Titelkämpfe. Die Weltmeister werden im ursprünglich geplanten Zeitraum (13. bis 26. Februar) ermittelt. Die deutsche Bewerbung galt zuletzt bereits als großer Favorit, auch die US-Bahnen in Lake Placid und Park City, der Eiskanal im kanadischen Whistler und St. Moritz in der Schweiz waren gehandelt worden.
Unverhoffte Generalprobe
12 Monate vor den Winterspielen in Pyeongchang/Südkorea proben die deutschen Bob- und Skeleton-Asse damit im vertrauten Eiskanal am Königssee den olympischen Ernstfall. Und dürfen dabei wohl mit jeder Menge Edelmetall rechnen, in Sotschi wäre das eher nicht der Fall gewesen. "Nach Rücksprache mit den anderen deutschen Kunsteisbahnen haben wir Königssee als potenziellen WM-Austragungsort favorisiert und versprechen jetzt mit dem erfolgten Zuschlag attraktive Welt-Titelkämpfe", sagte Thomas Schwab, Generalsekretär und Sportdirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland: "Wir verfügen über ein erfahrenes, professionelles Organisationsteam und haben unter der Leitung von Markus Aschauer eine perfekte Bahncrew. Ich freue mich auf die Heim-WM 2017 und weiß, dass sie bei uns in guten Händen ist."
Hocherfreuter Bundestrainer
Auch für Bundestrainer Rene Spieß ist klar: "Das ist für alle die beste Entscheidung." Doch die Medaille hat zwei Seiten. Denn der BSD verarbeitet noch immer die vergangenen Winterspiele, in Sotschi 2014 war man ohne Podestplatz geblieben. "Aus sportlicher Sicht wären wir gerne hingefahren", sagt Bundestrainer Rene Spies daher: "Schließlich wollten wir uns dort rehabilitieren."
Und eine ähnliche Pleite darf sich in Pyeongchang keinesfalls wiederholen, die Suche nach noch so kleinen Schwächen hat daher gerade in diesem vorolympischen Winter Priorität. Sehr gerne hätte man die aktuellen Schlitten und Piloten um Zweier-Weltmeister Francesco Friedrich (Oberbärenburg) einem Stresstest am Ort des Debakels von 2014 unterzogen. Denn die Bahn in Sotschi hätte den Deutschen, "mit Blick auf Olympia 2018 für die Einordnung unseres Leistungsstandes viel mehr gebracht", sagte Schwab dem SID.
Holpriger Entscheidungsweg
Einen Heimvorteil brauche und wolle man auf der Zielgeraden zu Olympia eigentlich nicht. Und doch landete die WM nun am Königssee, es schien im Vorfeld fast alternativlos. Nur zwei Monate bleiben für die Organisation des Großevents, nicht viele Betreiber können das aus dem Stehgreif leisten. "So kurzfristig kann nur der BSD und das top organisierte Team rund um Markus Aschauer so ein sportliches Highlight ausrichten", sagte Zweier-Vizeweltmeister Johannes Lochner (Stuttgart).
Gegen die Konkurrenten aus Übersee (Lake Placid, Park City, Whistler) sprachen die langen Reisewege zum Wettkampfort, gegen St. Moritz sprach ein Terminproblem. Am Königssee findet die WM nun im ursprünglich geplanten Zeitraum statt (13. bis 26. Februar). Der Weg zu dieser unverhofften Heim-WM war indes ein recht holpriger für den BSD.
Lösung ohne Boykott
Schon vor den weiteren Enthüllungen des zweiten McLaren-Reports über staatlich gelenktes Doping in Russland hatten mehrere internationale Verbände mit Boykott-Androhungen den Druck auf die IBSF erhöht: In Sotschi, wo 2014 "der Olympische Geist gestohlen" worden war, wollte man nicht unter unklaren Voraussetzungen um WM-Medaillen kämpfen.
Der deutsche Verband dagegen hielt sich in dieser Sache zumindest nach außen auffällig zurück. Schwab verteidigt dieses Vorgehen nun. "Wir sehen das eben etwas anders. Man muss Lösungen suchen und nicht boykottieren", sagt der 54-Jährige: "Und jetzt haben wir ja eine Lösung gefunden." Intern habe man zudem durchaus "sanften Druck auf die IBSF ausgeübt". Und auch dieser habe zur Entscheidung des Weltverbandes beigetragen.