Der Moderator von "Lass Dich überwachen!" über seine Sendung, die Unbedarftheit vieler User im Internet und seine eigenen Vorsichtsmaßnahmen für sicheres Surfen ...
Jan Böhmermann, was hat Sie an dem Format "Lass dich überwachen!" gereizt?
Es macht einfach Spaß, das Publikum zu stalken. Normalerweise stalken meine Mitarbeiter und ich die Leute, die hier in die Sendung kommen, nur privat, und das ist endlich einmal die Gelegenheit, die Sachen, die wir privat erlernt haben – also Leute im Internet stalken – auch einmal beruflich richtig schön auszunutzen. Also es macht Spaß die Leute zu sehen, wie sie sich entweder freuen, erschrecken, wie man ihnen ansieht, dass sie hoffen, dass keiner diese peinlichen Posts entdeckt, die sie vor sieben Jahren in irgendeinem obskuren sozialen Netzwerk abgelassen haben. Und dann zu sehen, wie der Schmerz langsam den Kopf erreicht, wenn sie dann merken, dass wir natürlich den Post gefunden haben. Also das ist einfach eine tolle Sendung und eigentlich so eine ganz klassische Fernsehsendung. Eine ganz klassische, schöne, ein bisschen böse, aber unterm Strich freundliche - ich würde fast sagen - Familienunterhaltungssendung.
Da war bestimmt schon in den Vorbereitungen bei Ihnen und Ihrer Redaktion großes Händereiben angesagt, oder?
Ja klar! Ich weiß ja schon, wer drankommt, ich weiß schon, was passiert und ich weiß, dass meine Mitarbeiter und ich schon seit fast zweieinhalb Monaten dran sitzen, die Sendung schön zu machen. Jetzt müssen halt nur noch die Leute kommen. Das große Risiko ist: Was ist, wenn sie nicht kommen, weil sie krank sind oder weil sie irgendwie nicht wollen oder die Bahn ausfällt oder irgendetwas passiert. Dann haben wir ein Problem, aber bislang ist immer alles gut gegangen. Ich reibe mir jetzt auf jeden Fall schon sehr die Hände, weil es wirklich eine tolle Sendung wird.
Gab es denn schon einmal Zuschauer, die im Vorfeld Lunte gerochen haben?
Es ist tatsächlich so, dass einige Zuschauer manchmal versuchen – weil sie wissen, sie kommen hier ins NEO MAGAZIN, sie wissen aber nicht, dass sie bei ‚Lass dich überwachen!‘ mit dabei sind –, aber manche Leute ahnen eventuell, dass etwas passieren könnte und die versuchen dann ihre peinlichsten Sachen zu löschen. Das bringt natürlich überhaupt nichts. Also wir sind natürlich mittlerweile so gut, dass wir auch Sachen, die gelöscht wurden, wiederfinden.
Ihr findet wirklich a l l e s. Schockiert Euch da nicht manches in der Recherche vorab?
Wir denken in den Recherchen tatsächlich oft, ach du Scheiße, das sind ja interessante Informationen, die man da über diesen Zuschauer im Netz findet. Man muss ehrlicherweise sagen, viele Dinge benutzen wir gar nicht für die Sendung, weil die einfach zu krass sind. Wir wägen da schon genau ab, was man den Leuten zumuten kann und was nicht zu peinlich ist. Das hat den interessanten Effekt, dass ich als Moderator dann auf der Bühne stehe und in 200 mir bekannte Gesichter gucke. Ich kenne die ja alle schon seit Wochen. Ich weiß bei einigen auch, ach, das ist der SM-Typ, wo wir uns aus ethischen Gründen entschieden haben, den nicht in die Sendung zu holen und dann sitzt der halt in Reihe 1 und grinst mich die ganze Zeit an. Auch als Moderator hat man da so ein gewisses Herrschaftswissen. Und man muss dazu sagen, wir machen nichts, was illegal ist. Wir bedienen uns nur der Informationen, die die Leute von sich aus freiwillig ins Netz schreiben und das ist erschreckend viel.
Die Show soll aber auch beim Zuschauer diesen "Oh, mein Facebook-Profil ist ja offen"-Reflex hervorrufen.
Ja genau! Und tatsächlich ist das so, wenn wir die Leute ein bisschen dazu sensibilisieren können, mal bei ihren Privatsphäre-Einstellungen in ihrem sozialen Netzwerk, in dem sie sich aufhalten, ein bisschen genauer hinzuschauen, was man eigentlich einstellen kann, um ihre Daten zu schützen, dann sagen wir nicht nein. Da sind wir schon öffentlich-rechtlich und sind leicht pädagogisch unterwegs. Aber eigentlich ist das eine Show, die vor allen Dingen Spaß macht.
Nach diversen Daten-Affären könnte man meinen, die Menschen sind etwas vorsichtiger mit dem, was sie ins Netz stellen. Was beobachtet ihr?
Wir machen das jetzt seit fünf Jahren. Die Leute sind in den fünf Jahren kein bisschen vorsichtiger geworden, sondern im Gegenteil: wir finden immer mehr Sachen heraus. Das Geile sind ja nicht nur die einfachen Sachen, wie Facebook, Twitter, Instagram, sondern die Leute posten ihre Marathonstrecke bei Runtastic oder ihre Spotify-Playlist oder YouTube-Playlisten, Pinterest-Seiten, Bewertungen bei Yelp oder bei TripAdvisor, wo man die Leute dann zuordnen kann. Tatsächlich wird das echt richtig spannend, wenn man dann anfängt, diese Fäden zu verknüpfen. Also wenn man die einzelnen Orte, an denen die Leute Sachen ins Netz schreiben, miteinander verbindet, da kriegt man dann manchmal schon einen erschreckenden Einblick in interessante Privatleben von Leuten.
Sie sind ja auch in sozialen Netzwerken unterwegs. Hat die Show bei Ihnen auch einen Denkprozess angeregt?
Mich erkennt online niemand. Ich bin online unter dem Pseudonym Pussyman 43 unterwegs. Das ist völlig illusorisch, dass man da irgendetwas herausbekommt. Nein, natürlich habe ich auch darüber nachgedacht, ob bei mir auch alles einigermaßen sauber ist. Wenn du als Prominenter im Netz bist, hast du ohnehin so eine kleine Schranke, dass du schon weißt, da kannst du dir nicht alles erlauben. Ich habe halt achtzig Pseudonyme, unter denen ich im Internet unterwegs bin. Meine privaten Dinge gebe ich am allerliebsten im Fernsehen preis. Also da erfährt man eigentlich alles über mich.
Interview: Lydia Bautze für all4radio