Pro Kopf essen die Deutschen rund 19 Kilogramm im Jahr. Vor allem sogenannte Clubsorten wie Pink Lady sind immer stärker im Kommen und verändern dabei die Spielregeln auf dem Obstmarkt grundlegend.
Marina Frey und ihre Familie sind Apfelbauern bereits in der vierten Generation. Der Betrieb liegt in der Bodensee-Region – einem der größten Anbaugebiete Deutschlands. Vor allem beliebte Supermarktsorten wie Elstar baut sie an. Es ist ein schwieriges Geschäft, schließlich verlangt der Kunde makellose Ware. Um diese liefern zu können, muss eine Vielzahl von Vorgaben erfüllt sein. Vom Farbanteil bis zur exakten Größe ist alles festgelegt. Nachzulesen ist das in den Handelsklassen für Äpfel. Auf insgesamt 26 Seiten wird definiert, wie der perfekte Apfel auszusehen hat.
Ohne Pflanzenschutz geht es nicht
Ohne Pflanzenschutzmittel ist das nicht möglich. In den meisten Betrieben wird deshalb bis zu 20 Mal im Jahr gespritzt, kein anderes Obst wird so intensiv behandelt. Laut Studien finden sich auf bis zu 80 Prozent aller Apfelproben in Deutschland Rückstände. „Diese Vorstellung der Leute, dass wir arbeiten wie vor 100 Jahren und da wächst ein großer Apfelbaum und der hat irgendwie 30 schöne Äpfel und wir haben das ganze Jahr keinen Pflanzenschutz eingesetzt“, sagt Marina Frey, „das funktioniert eben nicht.“ Eine Alternative zum Pflanzenschutz sieht die Landwirtin nicht – anders seien die strengen Vorgaben für die vom Kunden gewünschten makellosen Äpfel nicht zu schaffen.
Der Apfel als Markenprodukt
Die Obstbranche setzt schon längst auf den nächsten Trend – Äpfel sollen zur Marke werden. Aus dem simplen Naturprodukt soll durch gezieltes Marketing ein Lifestyle-Artikel mit einer plakativen Message werden. Vorreiter ist dabei Pink Lady. Mit auffälliger Verpackung, eingängigem Namen und eigener Social-Media-Kampagne werden diese Äpfel gezielt beworben, um sie dann teurer verkaufen zu können als Standardsorten wie Elstar und Co. Pink Lady gehört zu den sogenannten Clubsorten. Das Prinzip dahinter ist immer ähnlich: Die Züchter lassen einen Namen und eine Apfelsorte schützen, fast wie bei einem Patent. Nur ausgewählte Bauern dürfen Pink Lady oder andere Clubsorten anbauen und bekommen einen höheren Kilopreis für ihre Ernte.
2007 wurden in Europa rund 92.000 Tonnen Pink Lady produziert. 2025 sollen es bereits dreimal so viel sein: 280.000 Tonnen. Schon jetzt machen solche Clubsorten rund 14 Prozent des Apfelmarktes in Deutschland aus, Tendenz steigend.
Alte Sorten sind oft gesünder
Sogenannte alte Sorten haben das Nachsehen. Rund 2000 Apfelsorten gibt es in Deutschland. Sie tragen Namen wie Finkenwerder Herbstprinz und sind in keinem Supermarkt zu finden. Dabei sind sie oft viel gesünder als die klassische Supermarktware. Das lässt sich sogar am Polyphenol-Gehalt messen. Polyphenole stärken die Abwehrkräfte, helfen auch gegen chronische Krankheiten wie Rheuma. Im Labor lassen wir Äpfel in einer Stichprobe untersuchen. Drei klassische Supermarktsorten und drei alte Sorten, die es oft nur noch in Hofläden zu kaufen gibt. Das Laborergebnis ist eindeutig: Der Polyphenol-Gehalt der alten Sorten ist deutlich höher.
Warum stecken dann in den Supermarktsorten weniger Polyphenole? Der Grund: Diese Substanzen lassen einen Apfel sauer und herb schmecken. Außerdem wird er durch sie an der Luft schneller braun - Eigenschaften, die bei Supermarktkunden offenbar nicht gefragt sind.
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Der Apfel als Medizin
Dabei können alte Sorten sogar gegen Allergien helfen. Willi Hennebrüder vom Bund für Umwelt und Naturschutz wertet seit vielen Jahren die Ergebnisse aus, wenn sich Apfelallergiker bei ihm melden. Seine Erfahrung: In den meisten Fällen vertragen sie alte Sorten problemlos. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Berliner Charité bestätigt das.
Und offenbar können diese alten Sorten noch viel mehr: Professor Karl-Christian Bergmann von der Berliner Charité berichtet, es gäbe Indizien dafür, dass der regelmäßige Verzehr von alten Sorten sogar die Symptome von Heuschnupfen lindern kann.