Der Syrer Mohamed J. schilderte im Herbst 2015 dem Sozialarbeiter seiner Flüchtlingsunterkunft und im Juni 2016 in seinem Asylverfahren Amri als radikalen und gefährlichen Islamisten mit Kontakten zum sogenannten Islamischen Staat. Nach Recherchen von Frontal 21 vernahm die Polizei den Zeugen aber erst Wochen nach dem Berliner Terroranschlag. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die der Redaktion vorliegen.
Mitbewohner warnte vor IS-Sympathisanten
Mohamed J. teilte im Herbst 2015 über Wochen in Emmerich am Rhein ein Zimmer mit Anis Amri. Der spätere Attentäter lebte dort unter dem falschen Namen „Mohamed Hassa“. Der Mitbewohner kannte Amris richtige Identität und wusste von dessen Kontakten zu syrischen Dschihadisten. „Anis hat sich nicht verstellt“, berichtet der Zeuge im Frontal 21-Interview. „Er sagte zu uns offen: Was macht ihr hier im Land der Ungläubigen? Ich will nach Syrien gehen und im Dschihad kämpfen. Geht auch nach Syrien und kämpft mit unseren Brüdern.“ Mohamed J. meldete dies seinem Sozialarbeiter im Oktober 2015.
Laut Angaben des Bundesinnenministeriums habe die zuständige Ausländerbehörde Kleve die Warnungen vor dem IS-Sympathisanten an die Polizei weitergeleitet. Die habe am „28.10.2015 einen sogenannten ‚Prüffall Islamismus‘ angelegt“. Doch Mohamed J. wurde nicht zeitnah von der Polizei als Zeuge vernommen: „Es gab keine Rückfragen von der Polizei“, sagte Mohamed J. dem ZDF.
Vernehmung des Zeugen erst nach dem Anschlag
Im Juli 2016 informierte Mohamed J. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den radikalen Tunesier. „Der Tunesier ist sehr islamistisch radikal (…). Er ist dann nach Berlin gezogen und hat dort einen neuen Asylantrag gestellt mit einer neuen Identität“, sagt der Zeuge wörtlich in der Anhörung vom 27.7.2016. Eine Kopie der Anhörung liegt der Redaktion Frontal 21 vor. Das BAMF will sich aus datenschutzrechtlichen Gründen zum konkreten Fall nicht äußern. Das Amt sei aber in ständigem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden gewesen.
Tatsächlich wurde Mohamed J. erst am 30. Januar 2017, Wochen nach dem Attentat, zur Zeugenvernehmung vorgeladen. Das geht aus Polizeidokumenten hervor, die der Redaktion Frontal 21 vorliegen. Moritz Körner, der für die FDP im Amri-Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages sitzt, kritisiert das Vorgehen der Ermittler: „Das wäre, sollte sich das so bewahrheiten, ein eklatantes Versagen unserer Sicherheitsbehörden.“