Noch vor ein paar Jahren haben Lkw auf der Straße noch viel mehr giftige Stickoxide in die Atemluft geblasen, als es die Grenzwerte zuließen. Heute sind Lkw dank neuer Gesetze sauber - viel sauberer als Diesel-Pkw. Das zeigen europäische Studien, die Frontal21 vorliegen.
2003 deckte das Umweltbundesamt einen Abgasskandal auf: Sobald Lkw die Fahrweise des offiziellen Testzyklus verließen, stießen sie viel mehr Stickoxide aus, als es die Grenzwerte zuließen. Die Software der Lkw war so programmiert, dass sie im Testzyklus sauber, im Straßenbetrieb aber schmutzig waren. "Die Software-Analyse war damit relativ einfach", erinnert sich Axel Friedrich, der damals die Untersuchungen im Umweltbundesamt leitete. Wegen der manipulierten Software mussten Lkw-Bauer damals hohe Geldstrafen zahlen – in den USA. In Europa blieben die Manipulationen straffrei.
Höhere Stickoxid-Werte auf der Straße
Heute sind Lkw dank neuer Gesetze sauber - viel sauberer als Diesel-Pkw. Das zeigen europäische Studien, die Frontal21 vorliegen. Demnach ist beispielsweise der Mercedes-Benz Actros 1848 , ein 18-Tonner der Schadstoffklasse Euro 6, auf der Straße viel sauberer als ein Mercedes C 220 CDI – ebenfalls Euro 6. Moderne Lastwagen unterschreiten die gesetzlichen Grenzwerte auf der Straße, moderne Diesel-Pkw hingegen überschreiten die Grenzwerte auf der Straße um ein Vielfaches. Dabei nutzen viele moderne Dieselautos die gleiche Abgasreinigungstechnik wie Lkw: den sogenannten SCR-Kat mit Harnstoff-Eindüsung.
Frontal21 macht den Test mit einem Opel Insignia Turbodiesel, Euro 6. Der hat einen SCR-Kat mit Harnstoff-Eindüsung – beste Voraussetzung also bei den Stickoxiden im Straßenbetrieb den Grenzwert einzuhalten. Beim ADAC-Ecotest allerdings hat der Opel Insignia den Stickoxid-Grenzwert um das Dreifache überschritten. Das Ergebnis der Frontal21-Stichprobe: Nach 3.800 Kilometern Fahrt hat der Opel 1,35 Liter Harnstoff, sogenanntes AdBlue, verbraucht. Das ergibt, bezogen auf den Kraftstoffverbrauch, einen AdBlue-Verbrauch von nur 0,57 Prozent. Viel weniger als moderne Lkw brauchen, um sauber zu sein: bis zu sieben Prozent.
Zu geringer AdBlue-Verbrauch
Eigentlich müssten PKW genauso viel AdBlue im Verhältnis zum Dieselkraftstoff verbrauchen, um sauber zu sein, bestätigt der Autoexperte Stefan Carstens. Den AdBlue-Verbrauch des Opel Insignia bewertet er als viel zu niedrig. Sein Verdacht: "So muss der Kunde nicht selbst zum AdBlue-Kanister greifen", der Inhalt des kleinen AdBlue-Tanks reiche bis zur nächsten Inspektion, dann werde nachgefüllt. Opel sieht in dem geringen Verbrauch kein Problem. Auf Nachfrage von Frontal21 erklärt der Hersteller, der AdBlue-Verbrauch des Insignia entspräche dem industrieweiten Durchschnitt bei Diesel-PKW.
Auch der Mercedes C 220 CDI (Euro 6) bläst im Straßenbetrieb viel mehr Stickoxid in die Atemluft, als der Grenzwert vorsieht. Das hat das niederländische Prüfinstitut TNO festgestellt. Auch der Mercedes hat einen SCR-Kat mit Harnstoff-Eindüsung und war auf dem Rollenprüfstand sauber. Im Straßenbetrieb hingegen waren die Stickoxidwerte um ein Vielfaches höher. Der kleine Mercedes C 220 CDI bläst damit mehr als doppelt so viel Stickoxide in die Atemluft wie ein großer Mercedes-Lkw des Typs Actros. Warum gelingt es Mercedes nicht, auch saubere Diesel-PKW zu bauen? Diese Frage beantwortet uns Daimler nicht. Stattdessen droht der Autobauer mit rechtlichen Schritten, "sollten Falschbehauptungen oder unberechtigte Vorwürfe das Ansehen unseres Unternehmens beschädigen."