Über die Hälfte der Hähnchen, die in deutschen Discountern verkauft werden, sind mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Das ergab eine aktuelle Analyse im Auftrag der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch. Dabei ist mehr als jede dritte Stichprobe mit Erregern kontaminiert, die Resistenzen gegen Reserveantibiotika aufweisen. Das untersuchte Geflügel aus industrieller Fleischerzeugung stammt von den fünf größten Billigketten der Supermarktkonzerne Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Metro, die zusammen 90 Prozent des Lebensmittelmarktes in Deutschland bestimmen.
Die nachgewiesenen Reserveantibiotika wie Colistin werden bei Menschen als letzte Mittel gegen Infektionserkrankungen eingesetzt, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken. „Bei der Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen aus Massentierhaltungen hat Agrarministerin Klöckner versagt, das zeigen die anhaltend hohen Resistenzraten der Krankheitserreger auf Hähnchenfleisch“, kritisiert Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch. Die Ministerin lasse zu, dass multiresistente Keime auf Billigfleisch bis in die Küchen von Verbrauchern, Restaurants und auch Krankenhausküchen gelangten. „Die Antibiotikaresistenzen werden erst dann sinken, wenn die Bundesregierung Reserveantibiotika in Tierfabriken verbietet“, fordert Benning.
Explosion an multiresistenten Keimen
Gerd-Ludwig Meyer ist Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie im niedersächsischen Nienburg und war früher mal Landwirt. "Es hat seit 2005 eine Explosion sozusagen an multiresistenten Keimen gegeben und an Patienten, die mit diesen multiresistenten Keimen auf Intensivstationen zu kämpfen haben", sagte er „Frontal 21“. Meyer sieht eindeutig einen Zusammenhang mit dem Einsatz von Antibiotika an Tieren in der Massentierhaltung. "In einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren gehe ich davon aus - alles unter der Maßgabe, dass es so weitergeht - dass wir keine wirksamen Antibiotika mehr haben."
Laut der Germanwatch-Analyse bot keiner der „Top 5“-Supermarktkonzerne durchweg nicht-kontaminiertes Hähnchenfleisch an. Die Fleischproben von Penny waren zu mehr als 80 Prozent, von Aldi zu 75 Prozent, von Netto zu 58 Prozent und von Lidl sowie Real zu etwa 30 Prozent belastet. Insgesamt wurden 59 Hähnchenfleischproben aus industrieller Fleischerzeugung auf resistente Erreger untersucht.