Interview
Bekämpfung der Wüstenbildung:Jede Sekunde geht Boden verloren
von Birgit Hermes
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40 Prozent des weltweiten Bodens sind bereits "degradiert", also geschädigt. Zum Schutz des Bodens wurde vor 30 Jahren die Konvention gegen Wüstenbildung unterzeichnet.
Mit Stroh versuchen Arbeiter in China die Wüstenbildung zurückzudrängen. Archiv.
Quelle: picture alliance / Xinhua News Agency / Wang Jiang
Eine Fläche so groß wie vier Fußballfelder wird weltweit jede Sekunde degradiert. Ein degradierter Boden hat wichtige Eigenschaften verloren. Er ist weniger fruchtbar, kann weniger Wasser speichern und hat eine geringere biologische Aktivität.
In trockenen und halbtrockenen Gebieten führt die Bodendegradation zur Bildung von Wüsten. Das Ausmaß sei erschreckend, mahnt das Sekretariat der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD). Denn der Verlust von Boden hat Folgen für das Klima, die biologische Vielfalt und die Lebensgrundlage von fast der Hälfte der Menschheit.
Geschädigte Böden bedeuten Ernteausfälle und Konflikte
Die Produktion von 95 Prozent der Nahrungsmittel basiert auf gesundem Boden. Geht er verloren, sinkt die Wasserqualität, es kommt zu Ernteausfällen, im schlimmsten Fall büßt das Land seine Fähigkeit ein, die dort lebenden Menschen zu ernähren. Soziale Konflikte und Flucht sind die Folgen.
Quelle: dpa
Landdegradation, auch Bodendegradation genannt, ist die Verschlechterung oder der Verlust der biologischen und wirtschaftlichen Produktivität des Bodens. Das passiert zum Beispiel durch:
- Bodenerosion, bei der die fruchtbare Schicht des Bodens durch Wind und Wasser abgetragen wird.
- Bodenverdichtung, bei der die Bodenstruktur zerstört wird, wodurch die Durchlässigkeit für Luft und Wasser beeinträchtigt wird.
- Versalzung, hervorgerufen durch unsachgemäße Bewässerung
- chemische Verschmutzung mit etwa Schwermetallen oder Pestiziden
Die Wüstenbildung ist nur ein Aspekt der Bodendegradierung. Der Begriff wird verwendet für Bodendegradation in trockenen und halbtrockenen Gebieten.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) hat zum Ziel, das Land zu schützen und wiederherzustellen. Insgesamt haben 197 Vertragsparteien - 196 Vertragsstaaten und die Europäische Union - das Übereinkommen unterzeichnet. Es ist eine multilaterale Verpflichtung, um die Auswirkungen der Bodendegradation zu mildern und den Menschen eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu bieten.
Sie bedeutet, dass der Verlust von Böden gestoppt und ihr natürlicher Zustand wiederhergestellt wird. Mehr als 130 Länder haben sich dazu verpflichtet, sie zu erfüllen. Die Landdegradationsneutralität („Land Degradation Neutrality“, LDN) wurde in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goal, SDG 15 – Leben an Land) verankert. Die alle zwei Jahre tagende Konferenz der Vertragsparteien überprüft die Einhaltung der LDN-Verpflichtungen.
Vor 30 Jahren, am 17. Juni 1994, verabschiedeten die Vereinten Nationen eine Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung. Das Ziel: den Boden schützen und die Lebensgrundlage der Menschen erhalten.
Mehr als 130 Länder haben sich inzwischen dazu verpflichtet, bis 2030 den Verlust an Boden zu stoppen und den natürlichen Zustand von Land wiederherzustellen.
Von Wüstenbildung 1,5 Milliarden Menschen betroffen
Doch es hapert vielerorts an der Umsetzung. Die Ursachen der Wüstenbildung etwa liegen meist darin, "dass wir Menschen die Böden, Vegetation und Wasservorräte in den Trockengebieten durch intensive Nutzung überstrapazieren", heißt es bei der Helmholtz Klima-Initiative.
Etwa durch die Überweidung von Flächen, bei der zu viele Tiere zu lange auf kleinem Raum grasen und den Boden seiner schützenden Pflanzendecke berauben.
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Aber auch landwirtschaftliche Praktiken, welche die Böden verdichten und die Humusschicht abtragen, das Abholzen von Wäldern und der Klimawandel mit seinen Wetterextremen wie Dürren und Starkregen begünstigen, dass Böden erodieren und ihre Fruchtbarkeit verlieren.
Den Angaben zufolge sind 1,5 Milliarden Menschen weltweit - direkt oder indirekt - von Wüstenbildungsprozessen betroffen.
Landverlust vor allem in Sahelzone, China, Indien
Weltweit geht täglich fruchtbares Ackerland verloren. Am stärksten von der Wüstenbildung betroffen sind in Afrika die Länder der Sahelzone, etwa Burkina Faso, Mali und Niger, in Asien etwa China, Indien und die Mongolei. In Nordamerika trifft es vor allem die US-Staaten Arizona und New Mexico und in Lateinamerika Mexiko und Brasilien.
Karte Sahelzone
Quelle: ZDF
Auch vor Europa macht die Desertifikation nicht Halt. In einem Sonderbericht zur Bekämpfung der Wüstenbildung schreibt der Europäische Rechnungshof:
Zunehmende Dürren auch in Südeuropa
Klimawandelszenarien wiesen darauf hin, so der Rechnungshof, dass in Südeuropa höhere Temperaturen, zunehmende Dürren und weniger Niederschläge zu verzeichnen sein würden. "Die Auswirkungen der Wüstenbildung werden in Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, Zypern, Bulgarien und Rumänien besonders stark zu spüren sein."
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Immerhin: Während sich vor Ende des letzten Jahrhunderts die Wüstenbildung mit einer Geschwindigkeit von über einer Million Hektar pro Jahr ausbreitete, habe sich, so das UNCCD-Sekretariat, diese Geschwindigkeit dank wirksamer Maßnahmen mancherorts verlangsamt.
Langfristige Arbeitsplätze durch Bodensanierung
Das Problem bleibe aber ernst und gehöre zu den drängendsten Umweltproblemen dieser Zeit. "Indem wir heute die Verfügbarkeit von Land und gesunden Böden gemeinsam sichern, tragen wir zu nachhaltiger Entwicklung und Generationengerechtigkeit bei."
Denn in vielen Ländern, die von der Landdegradierung betroffen seine, mache die Landwirtschaft einen großen Teil des Bruttoinlandproduktes aus.
Ergebnis der Initiative "Große Grüne Mauer": Bäume statt Wüste am Rande der Sahara. (Archivbild)
Quelle: Reuters
An ambitionierten Initiativen zur Bodensanierung mangelt es jedenfalls nicht. Um nur eine zu nennen: Die 2007 von der Afrikanischen Union initiierte "Great Green Wall" hat zum Ziel, in 20 Ländern der Sahelzone 100 Millionen Hektar degradiertes Land wiederherzustellen.
Nach Angaben der UNCCD wurden inzwischen fast 18 Millionen Hektar Boden wiederhergestellt und dadurch 350.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Birgit Hermes ist Redakteurin der ZDF-Umweltredaktion.
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