Terra X - die Wissens-Kolumne:Das Wasser muss im Wald bleiben
von Lea Merschformann und Jan Hüsing
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Wochenlang hat es geregnet und dennoch hält die Dürre der letzten Jahre weiter an. Mit dem Wald leiden auch Dörfer und Städte im Tal. Es braucht strukturelle Hilfe - fürs Klima.
Sogar Förster*innen haben manchmal Urlaub und einige verbringen diesen gerne auf Musikfestivals. Während die, die anreisen konnten, fluchend ihre Regensachen zum Trocknen aufhängen, fragen sich einige, ob es nicht langsam sogar für die Natur genug geregnet hat.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Der Wald braucht Wasser
Wald und Wasser, das ist eine ganz besondere Geschichte. Naheliegend, denn die großen Bäume brauchen enorme Mengen. 100 Quadratmeter Wald verbrauchen 400 bis 900 Liter Wasser pro Tag. Gleichzeitig bildet der Wald und insbesondere dessen Boden einen der größten Wasserspeicher zu Lande.
Der Waldboden funktioniert wie ein Schwamm und saugt den Regen auf. Im Boden sind sogenannte Poren, also Zwischenräume, die sich mit Wasser füllen können. Aus diesen Poren wiederum können Pflanzen das Wasser über ihre Wurzeln direkt entziehen.
So funktioniert der Wasserkreislauf der Erde - ohne einen Tropfen Wasser zu verlieren. Welche Rolle Böden und Wälder dabei spielen.22.03.2021 | 5:25 min
Der Wald filtert Regen für unser Grundwasser
Doch der Waldboden besitzt noch eine weitere Qualität. Während das Wasser durch die verschiedenen Schichten des Bodens sickert, wird es gefiltert. So wird es zu sauberem, qualitativ hochwertigem Grundwasser und landet irgendwann in unseren Leitungen.
Veränderter Wasserfluss im Wald kann zu Fluten im Tal führen
Vor 100 Jahren hat man den Wald noch entwässert. Durch speziell angelegte Gräben wurde das Wasser aus dem Wald geleitet, um Baumarten pflanzen zu können, die es trockener brauchen. Außerdem wirken Forstwege wie Staudämme und leiten das Wasser aus dem Wald. Ursache dafür ist die starke Verdichtung des Bodens durch die schweren Forstmaschinen.
Diese Veränderung des Wasserflusses ist problematisch. Das Wasser hat keine Chance, im Waldboden zu versickern. Es wird stattdessen aus dem Wald, häufig bergab, geleitet. Bei Starkregen wird daraus eine Flut. Und in Tälern finden sich nicht selten Siedlungen und Städte.
Wälder sind Wasserspeicher. Durch Austrocknung der Waldböden nach Kahlschlägen werden Trockenperioden verstärkt. Hochwasser werden extremer, weil der Wald in seiner Schwammfunktion als Regenbremse fehlt.
19.08.2021 | 6:33 min
Nach der Dürre kommt die Flut
Während im Norden Deutschlands die Festivals im Schlamm versinken, klagen Förster*innen in anderen Teilen des Landes immer noch über Trockenheit. Was mit Schlamm und Trockenheit noch eher harmlos klingt, kann mit fortschreitendem Klimawandel zu Flut und Dürre werden. Das sind extreme Differenzen in einem verhältnismäßig kleinen Land.
Wie Dürre entsteht und wie sie sich in den verschiedenen Bodenschichten auswirkt und welche Folgen das hat - eine Übersicht. 14.08.2023 | 1:18 min
Immer wieder muss man sich vor Augen führen, was für Schäden und Tragödien diese Extremwetterereignisse mit sich bringen. Spätestens seit Ereignissen wie der Flut im Ahrtal 2021 ist offensichtlich geworden, was der Klimawandel auch in Deutschland anrichten wird. Wären an den umliegenden Hängen mehr intakte Waldflächen gewesen, deren Waldboden mehr Wasser hätte aufnehmen können, hätte die Katastrophe vielleicht milder ausfallen können.
Bei der Hochwasserkatastrophe im Westen und Süden Deutschlands haben mehr als 150 Menschen ihr Leben verloren. Werden solche Wetterextreme angesichts der Klimakrise zum Normalfall?20.07.2021 | 31:46 min
Mit neuen Ideen das Wasser im Wald halten
Um die Wälder lebendig zu halten und Fluten zu verhindern, ist es also essentiell, das Wasser im Wald zu halten. In den letzten Jahrhunderten wurde dafür nichts getan. Jetzt braucht es Ideen, wie man das wieder umkehren und verbessern kann.
Im Soonwald in Rheinland-Pfalz wird zum Beispiel mit sogenannten Rigolen experimentiert. Dabei werden in regelmäßigen Abständen durchlässige Wegestrukturen aus gröberem Kies in die Forstwege eingearbeitet. Hier kann das Wasser langsam in den umliegenden Wald durchsickern, statt in einem oberirdischen Sturzbach im Straßengraben Richtung Tal zu fließen.
Hitzewellen, Dürren und Starkregen – steht der Sommer wieder im Zeichen des Klimawandels? Droht nach 2022 ein weiteres Jahr verheerender Trockenheit in Deutschland? 20.08.2023 | 27:38 min
Ein Rennen gegen die Zeit
Die Effizienz solcher Maßnahmen wird aktuell erforscht, erste Ergebnisse machen Hoffnung. Doch die Errichtung solcher Maßnahmen kostet die Waldbesitzenden Geld. Einnahmen gibt es oft nur aus dem Verkauf von Holz.
Gleichzeitig sind diese Maßnahmen ein Rennen gegen die Zeit und reine Symptombekämpfung. Gegen eine Erkältung hilft auch kein Naseputzen. Wir müssen daher beginnen, den Klimawandel an seinen Ursachen zu bekämpfen.
Waldrandmosaik fürs Klima? Damit Wälder besonders viel CO2 speichern können, kommt es vor allem darauf an, wie sie wachsen. Biologen zeigen wie wichtig der „Waldrandeffekt“ ist. 14.01.2020 | 3:23 min
Früher haben Förster nur Holz verkauft
Die Aufgaben von Förster*innen sind mit der Zeit und mit dem Klimawandel komplexer geworden. Früher war die Hauptaufgabe die Holzproduktion. Jetzt ist es vorrangig auch der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen.
Damit Metal-Fans und Förster*innen Festivals im Sommer wieder in Ruhe genießen können, braucht es aber mehr. Politische und finanzielle Unterstützungen der forstlichen Maßnahmen zum Waldschutz sind ein erster Schritt. Voraussichtlich können auch diese Maßnahmen den Wald nicht vor den Veränderungen des Klimas retten.
Für den Wald das Klima retten
Der Blick auf Klimaprognosen lässt selbst junge, motivierte Forstleute resigniert zusammen sacken. Wenn wir Mensch und Wald schützen wollen, müssen wir das Klima retten. Und auch wenn Sätze wie dieser unlängst zu unbedeutenden Phrasen geworden sind, sind sie doch wichtige Realität.
Terra X - Im Reich des Wassers: Unsere Wälder sind die größten Süßwasserspeicher der Welt, denn alles im Wald ist darauf angelegt, Wasser für schlechte Zeiten zu bunkern.11.06.2017 | 43:35 min
Forst erklärt ist ein Projekt von sieben Göttinger Studierenden, um das Wissen aus dem Wald ins Internet zu bringen. Jan Hüsing ist Fotograf und studiert Forstwirtschaft und Lea Merschformann leitet als Sozialwissenschaftlerin die Redaktion des Onlineblogs auf forsterklaert.de. Trotz leichter Uneinigkeiten, ob der Regen ausgerechnet während des Festivalwochenendes fallen muss, verbindet beide die Begeisterung für das Ökosystem Wald.
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