Terra X - die Wissens-Kolumne:Was Wüsten mit der US-Wahl zu tun haben
von Tong-Jin Smith
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Nicht jeder in den USA wählt unter den gleichen Voraussetzungen. Und die Ungleichheit und Polarisierung der Gesellschaft enden nicht mit einem Wahlergebnis.
Der Wahlkampf in den USA verdeutlicht, wie gespalten das Land ist. Während Gegensätze schon immer Teil der amerikanischen Demokratie waren - wie das Zwei-Parteien-System -, hat sich der Umgang mit verschiedenen Positionen und Weltbildern drastisch verändert. Statt konstruktiver Debatten, stehen heute gegenseitiges Misstrauen und Abwertung im Mittelpunkt.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Wie zwei Parteien die Gesellschaft entzweien
Studien von Institutionen wie dem Pew Research Center zeigen: Polarisierung ist zunehmend emotionsgeleitet und führt zu aktiver Ablehnung der Gegenseite. Ein Großteil der amerikanischen Wählerschaft hat also negative Gefühle gegenüber Menschen, die der anderen politischen Partei angehören oder einen anderen Lebensentwurf haben, selbst wenn sie in spezifischen Fragen ähnliche Ansichten vertreten.
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Medien als Treiber der Polarisierung
Eine wesentliche Rolle spielt hier die Medienlandschaft. Vielerorts in den USA gibt es sogenannte Nachrichtenwüsten, wo es keine Lokalzeitung mehr gibt - pro Woche sterben zwei. Auch lokale TV- und Radiosender haben ihre Redaktionen drastisch verkleinert. Menschen informieren sich vor allem in sozialen Medien, die ihnen Inhalte zeigen, die ohnehin ihren Überzeugungen entsprechen.
Politische Parteien nutzen das für sich, sodass Instagram, TikTok, X & Co. ein Umfeld schaffen, in dem andere Standpunkte zunehmend als Bedrohung oder als unwahr empfunden werden. So verbreitet sich auch Desinformation schnell und leicht. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner haben kaum noch Kontakt mit gegensätzlichen Meinungen oder sachlichen Informationen.
Wahlen sind nicht nur politisch, sondern offenbaren statistische Phänomene. Während die Polarisierung in den USA zunimmt, zeigt sich in Deutschland ein überraschendes Bild.
von Jens Foell
Kolumne
Nachrichtensender liefern keine unabhängige Berichterstattung
Denn auch nationale News-Sender wie MSNBC, CNN und Fox News vertreten bestimmte Ideologien. Das ist seit der Aufhebung der Fairness-Doktrin 1985 unter Präsident Ronald Reagan möglich. In TV-Nachrichten müssen seitdem nicht mehr alle Seiten zu Wort kommen. Kombiniert mit dem Medienwandel und dem zunehmenden Konkurrenzkampf um Zuschauer und Werbegelder werden heute mehr Meinungen über Nachrichten als Nachrichten gesendet.
Und Zeitungen waren noch nie unparteiisch. So gelten etwa die "New York Times", die "Washington Post" und die "Los Angeles Times" als liberal. Bei Präsidentschaftswahlen sprechen sie sich in der Regel für den Kandidaten der Demokraten aus.
Journalistinnen und Wissenschaftler beleuchten in sechs Folgen die verhärteten Fronten der Parteien kurz vor den Präsidentschaftswahlen und die tiefe Spaltung der US-Gesellschaft.
Aktuell kann man bei der "Post" und der "LA Times" einen handfesten Streit beobachten, da die Verleger - Milliardäre Jeff Bezos und Patrick Soon-Shiong - ihren Redaktionen untersagen, Kamala Harris zu unterstützen. Sie fürchten die Rache Trumps, sollte er die Wahl gewinnen. Die Konsequenz: Redakteure und Abonennten kündigen aus Protest.
Wüsten und systemische Ungleichheiten
Aber Nachrichtenwüsten sind nicht die einzigen Wüsten in den USA. Etwa 30 Millionen Menschen leben in Gesundheitswüsten ohne Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung und 35 Millionen - rund zehn Prozent der Bevölkerung - in Bildungswüsten.
Bildungswüsten sind Gegenden, in denen es entweder gar keine öffentlichen Hochschulen gibt oder nur ein einziges "broad-access public college" mit niedrigen Standards und meist wenig Ressourcen. Überproportional betroffen sind Gemeinden, in denen vor allem schwarze, hispanische und einkommensschwache Familien leben. So werden systemische Ungleichheiten fortgeschrieben, die Gesundheit und die sozio-ökonomische Mobilität der Menschen eingeschränkt.
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18 Millionen Menschen ohne Zugang zu gesunden Lebensmitteln
Zusätzlich sind ländliche Gegenden und Städte wie Los Angeles oder Chicago in einkommensschwachen Vierteln Lebensmittelwüsten. Diese sind das Ergebnis fehlender Infrastruktur für frische, gesunde Lebensmittel. Stattdessen dominieren Fastfood-Ketten und "convenience stores" mit Fertiggerichten und Snacks. Laut dem US-Landwirtschaftsministerium sind über 18 Millionen Menschen - vor allem Schwarze und Hispanics - von "food deserts" betroffen. Manche Experten sprechen daher auch von "food apartheid".
Egal, wer also am 5. November die Wahl gewinnt, wenn die Wüsten bleiben, wird der Riss, der durch die amerikanische Gesellschaft geht, größer werden, das Misstrauen zunehmen und sich die Polarisierung verstärken.
… ist Professorin für Journalismus an der Media University of Applied Sciences in Berlin, Mitglied des Think & Do Tanks futur eins und freie Journalistin. Als promovierte Politologin forscht und lehrt sie zu resilienten Demokratien und Teilhabe in der digitalen Öffentlichkeit mit einem Fokus auf Medienmündigkeit, konstruktivem Journalismus und der Utopie der informierten Gesellschaft. Sie ist von Natur aus neugierig, glaubt an die Macht der Kreativität und baut gerne Brücken zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
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