Wofür der Körper Stress braucht | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Brauchen wir Stress?

    von Leon Windscheid
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    Arbeit, Familie, ständig erreichbar sein und die großen Krisen unserer Zeit erhöhen den Druck und das Stresslevel. Aber was ist Stress und wie bewältigen wir ihn effektiver?

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Leon Windscheid

    Jeder vierte Deutsche fühlt sich häufig gestresst, das ergab eine Umfrage der Techniker Krankenkasse. Die Auslöser, in der Psychologe nennen wir sie "Stressoren", sind vielfältig.
    Auf Platz 1 liegen die Anforderungen in Job oder Ausbildung. Stressor Nummer 2 sind die hohen Ansprüche an uns selbst. Aber auch die Sorge um nahestehende Menschen, Konflikte mit Partnerin oder Familie und die sozialen Medien setzen viele Deutsche unter Druck. Höchste Zeit für die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir Stress haben?

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Stress als Überlebensstrategie

    Unser Körper reagiert in jeder Stresssituation so, als schwebten wir in akuter Gefahr. Dann sendet unser Hirn ein Signal aus, das unser Nervensystem aktiviert: Der Blutdruck steigt, der Atem geht schneller, die Muskeln spannen sich an und die Sinne sind geschärft. Wir sind bereit für Kampf oder Flucht.
    Der Stress gibt uns die Energie, Herausforderungen zu meistern. Und ohne ihn würden wir uns irgendwann langweilen, meint die Psychologin und Resilienzforscherin Donya Gilan. Denn erst durch Stress werden wir aktiv, entwickeln unsere Persönlichkeit weiter und bauen unsere Kompetenzen aus.

    Dauerhafter Alarmzustand ist ungesund

    Natürlich hat das seinen Preis. Das Hochfahren des Nervensystems kostet viel Energie, und das bringt unseren Körper aus dem natürlichen Gleichgewicht. Nach einer stressigen Präsentation auf der Arbeit oder einem Streit mit dem Partner fühlen wir uns deshalb oft erschöpft. Unser Körper muss sich von der Stressreaktion erholen, das Gleichgewicht wiederherstellen.
    Problematisch wird es, wenn wir chronischen Stress haben und kein Ventil, um die Anspannung abzubauen. Der dauerhafte Alarmzustand kann uns dann krank machen - die Folgen reichen von Kopfschmerzen, Verspannungen und Schlafstörungen bis hin zu Burnout.

    Wenn die Summe der Mikrostressoren zu hoch ist

    Stress kommt nicht immer mit Pauken und Trompeten daher. Er nistet sich oft viel subtiler ein, in Form vieler kleiner, alltäglicher Belastungen. In der Psychologie nennen wir die "daily hassles" oder "Mikrostressoren". Dazu gehören zum Beispiel der Stau auf dem Weg zur Arbeit oder der Nachbar, der andauernd laute Musik hört.
    Diese Mikrostressoren kann man sich wie kleine Tropfen vorstellen, die jeden Tag auf uns einprasseln. Jeder für sich genommen ist kein Problem. Aber in der Summe bringen sie, Tropfen für Tropfen, das Fass zum Überlaufen. Und der Stress, der dadurch entsteht, kann sogar belastender sein als ein großes, stressiges Ereignis, meint Gilan.
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    Wie wir Stress bewältigen können

    Wie schafft man es also, gut mit Stress umzugehen? Dazu haben Forschende von der University of Wisconsin eine spannende Untersuchung durchgeführt. Sie stellten rund 19.000 US-Amerikanern zwei Fragen. Erstens, wie gestresst sie waren, und zweitens, ob sie glaubten, dass Stress ihrer Gesundheit schaden würde.
    Wer angab, viel Stress zu haben, der hatte ein 43-prozentiges Risiko, frühzeitig zu sterben. Das passt zu unserem negativen Bild - Stress macht krank. Aber: Dieser Zusammenhang galt nur für die Menschen, die davon ausgingen, dass Stress ihrer Gesundheit schaden würde.
    Wer genauso gestresst war, aber keine Angst vor gesundheitlichen Schäden hatte, lebte im Schnitt genauso lange wie der stressfreie Rest. Ob Stress krank macht, hängt also auch von unserer Einstellung ab.
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    Wie also umgehen mit dem Stress?

    Stress ist subjektiv, aber er entsteht natürlich nicht nur im Kopf, meint Gilan. Und um gut mit Stress umzugehen, braucht es mehr als eine positive Einstellung. Die Resilienzforscherin empfiehlt zum Beispiel Achtsamkeitsübungen - schon nach wenigen Wochen kann man damit Effekte erzielen.
    Wichtig ist auch, dass man nicht auf sich allein gestellt ist, sondern Stress in der Gemeinschaft bewältigt. Das wissen auch die Notärzte der Luftrettung, die ich für Terra Xplore begleiten durfte. Sie haben mir eine wichtige Erfahrung und besonderen Umgang mit Stress näher gebracht: Stress anzunehmen, ihn nicht wegzuwünschen, sondern eine gemeinsame postive Stärke mit Routine und Stressausgleich daraus zu entwickeln. Denn gemeinsam lernen sie, weniger mit sich "rumzuschleppen".
    Brauchen wir Stress?
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    ... ist Diplom-Psychologe, Moderator, Bestseller-Autor und Podcaster. Seine große Leidenschaft ist die Psychologie. Windscheid hat Wirtschaftspsychologie in Münster, Istanbul und Witten studiert und das Studium Ende 2014 abgeschlossen. 2015 gewann er eine Million Euro bei "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch. Von 2015 bis 2017 promovierte er im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

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